Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheit des Richters bei verweigerter Terminsverlegung

 

Orientierungssatz

1. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn Anhaltspunkte für dessen unsachliche Einstellung oder dessen Willkür vorliegen.

2. Im Fall der Verweigerung einer Terminsverlegung ist dann von einem rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsantrag auszugehen, wenn die Verweigerung zum Anlass genommen wird, durch Anbringung eines Ablehnungsgesuchs in letzter Minute eine Terminsverlegung zu erzwingen.

3. Die Verweigerung einer Terminsverlegung stellt nur dann einen geeigneten Ablehnungsgrund dar, wenn die Gründe für die Ablehnung erheblich sind und mit der Verweigerung eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessbeteiligten zum Ausdruck kommt.

 

Tenor

Das Gesuch der Klägerin, die Richterin am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch bei vernünftiger objektiver Betrachtung, Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Es müssen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung oder für Willkür des Richters vorliegen. Hingegen ist ein Ablehnungsantrag kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren. Im Falle der Verweigerung einer Terminsverlegung wird in der Rechtsprechung im Anschluss an diese Grundsätze insbesondere dann von einem rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsantrag ausgegangen, wenn die Verweigerung einer Terminsverlegung - selbst wenn sie zu Unrecht erfolgt sein mochte - zum Anlass genommen wird, durch Anbringung eines Ablehnungsgesuchs in letzter Minute eine Terminsverlegung zu erzwingen (vgl. etwa LSG Schleswig, Beschluss vom 28.12.2001 - L 3 SF 25/01 SAB; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1042; OLG Naumburg, NJW-RR 2002, 502; OLG Köln, OLGR 2003, 107).

Es spricht hier einiges dafür, das Ablehnungsgesuch danach als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig anzusehen. Denn der Beschluss vom 8. Februar 2006 über die Zurückweisung des Terminsverlegungsantrages vom 7. Februar 2006 ist beim Bevollmächtigten der Klägerin am 13. Februar 2006 eingegangen. Es hätte damit für sie durchaus die Möglichkeit bestanden, nochmals unter Schilderung der Besonderheiten im Einzelfall (wie dies erst im Ablehnungsgesuch, nicht schon im Vertagungsantrag geschehen ist) eine Verlegung des Termins zu erreichen oder auch ein Ablehnungsgesuch sofort nach Bekanntwerden des behaupteten Ablehnungsgrundes zu stellen. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch erst am 27. Februar 2006 um 16.23 Uhr per Telefax dem Gericht übermittelt worden, so dass die Klägerin davon ausgehen durfte, dass eine Entscheidung über dieses Gesuch vor dem Termin nicht mehr herbeigeführt werden konnte und im Hinblick auf die eingetretene Wartepflicht (vgl. § 46 ZPO) der Termin am 28. Februar 2006 um 9.15 Uhr aufzuheben war. Dies allein scheint angesichts des zeitlichen Ablaufs Ziel des Gesuchs gewesen zu sein.

Jedenfalls ist das Ablehnungsgesuch unbegründet. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung stellt nur dann einen zur Ablehnung berechtigenden Grund dar, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, wenn die Gründe für den Antrag erheblich sind und mit der Verweigerung eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessbeteiligten zum Ausdruck kommt. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die Richterin hat ihre Entscheidung im Hinblick auf die über zweijährige Verfahrensdauer und unter Bezugnahme auf Literaturhinweise ausführlich begründet. Die Entscheidung stellt sich damit nicht als Ausdruck einer willkürlichen und unsachlichen Einstellung gegenüber der Klägerin dar, zumal für diese vor dem anberaumtem Termin ausreichend Zeit bestand, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Die Verletzung rechtlichen Gehörs, die nach alledem allein im Raume stand, kann sie aus den oben dargestellten Gründen nur in der Berufungsinstanz, nicht in einem Ablehnungsverfahren rügen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1772544

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