Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Überprüfungsverfahren für mehrere Bewilligungszeiträume. Arbeitslosengeld II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr iSv § 144 Abs 1 S 2 SGG sind in Angelegenheiten des SGB II nur gegeben, wenn der einzelne Bewilligungszeitraum mehr als ein Jahr umfasst.

2. Dies gilt auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2021; Aktenzeichen B 4 AS 70/20 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger für die Monate Januar bis August 2013 sowie März bis August 2014 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beanspruchen kann.

Die vom Kläger zu zahlende Miete, die sich in der Zeit bis August 2013 auf 515 € und bis August 2014 auf 480 € insgesamt belief, setzte sich wie folgt zusammen:

2013   

2014   

Grundmiete

237,62 €

237,62 €

Mod.-Umlage

125,78 €

125,78 €

VZ Heizkosten

66,45 €

48,45 €

VZ Betriebskosten

83,36 €

66,36 €

Antennengebühr

1,79 €

1,79 €

Gesamtmiete

515 € 

480 € 

Für die Zeit ab dem 1. September 2013 hatte die Vermieterin des Klägers den zunächst festgesetzten Anteil für Heizkosten von 50,37 € (Schreiben vom 29. Juli 2013) - diesen Betrag legten in der Folgezeit das Sozialgericht und die Klägerseite zugrunde - etwas später auf 48,45 € (Schreiben vom 8. August 2013) reduziert.

Mit diversen vom Kläger zunächst nicht angefochtenen Bescheiden, jeweils für die Zeiträume Januar bis Februar 2013 (Bescheide vom 26. Juli 2012, vom 20. September 2012 und vom 24. November 2012), März bis August 2013 (Bescheid vom 1. Februar 2013) und März bis August 2014 (Bescheid vom 17. Februar 2014), gewährte der Beklagte dem Kläger KdU in aus seiner Sicht angemessener Höhe. Den unter dem 2. April 2014 formulierten Überprüfungsantrag des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 2014 ab. Mit Bescheid vom 5. März 2015 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 bewilligte der Beklagte etwas höhere KdU, wies mit letzterem den Widerspruch im Übrigen jedoch zurück. Im Einzelnen ergibt sich hinsichtlich der bewilligten KdU (jeweils in €) folgendes Bild:

Zeitraum

tatsächl. Miete

bewilligt/bestätigt mit Bescheiden v.

Bescheid v. 5.3.15 und Widerspruchs- bescheid

Klageantrag

26.7.12, 20.9.12, 24.11.12 und 14.10.14

Jan - Feb 13

515,00

426,60

433,24

81,76 

1.2.13 und 14.10.14

Mrz - Aug 13

515,00

426,60

433,24

81,76 

17.2.14 und 14.10.14

Mrz - Aug 14

480,00

393,52

417,16

64,76 

Mit seiner Klage machte der Kläger die Differenz zwischen den zuletzt bewilligten KdU und der tatsächlichen Miete geltend, mithin die Zahlung weiterer 81,76 € für die Monate Januar bis August 2013 bzw. 64,76 € für die Monate März bis August 2014. Für den zuletzt genannten Zeitraum berücksichtigte er die o.g. Reduzierung der Heizkosten nicht und ging daher von einer tatsächlichen Miete i.H.v. 481,92 € aus.

Mit Urteil vom 31. Januar 2017 gab das Sozialgericht Potsdam der Klage teilweise statt und verurteilte den Beklagten unter Änderung der o.g. Bescheide, für den streitigen Zeitraum jeweils weitere 28,80 € monatlich zu zahlen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass die Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept verfüge und daher die Werte der Wohngeldtabelle nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zugrunde zu legen seien. Die Klage sei abzuweisen gewesen, soweit der Kläger die tatsächlichen KdU verlange, denn er sei bereits im Jahr 2011 darüber belehrt worden, dass seine tatsächliche Miete unangemessen hoch sei. Das Sozialgericht erteilte die Rechtsmittelbelehrung, dass die Berufung zulässig sei, weil wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit stünden.

Gegen dieses ihm am 13. Februar 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 3. März 2017, mit der er erneut die Zahlung weiterer 81,76 € für die Monate Januar bis August 2013 bzw. 64,76 € für die Monate März bis August 2014 begehrt.

Nach einem Hinweis des Berichterstatters, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen sein dürfte, weil die Voraussetzungen für § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorlägen, vertritt der Kläger die Auffassung, das Gericht berücksichtige nicht hinreichend, dass Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei. Angegriffen sei ein einzelner Überprüfungsbescheid mit einem Widerspruch, auf den ein Widerspruchsbescheid ergangen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 19. März 2008 (B 11b AS 23/06 R) dargelegt, dass die geltend gemachten höheren Leistungen parallel zu der dem Überprüfungsbescheid zugrunde liegenden Bewilligung stünden. Insofern stehe es ihm - dem Kläger - fre...

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