Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. 1-jähriges Zusammenleben. Einkommensberücksichtigung. Absetzung von Ratenzahlungen
Orientierungssatz
1. Nach der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelung (§ 7 Abs 3a SGB 2) wird künftig zwar bei einem längeren als 1-jährigem Zusammenleben widerlegbar vermutet, dass eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei einem kürzeren als 1-jährigem Zusammenleben der Partner eine eheähnliche Gemeinschaft nicht bestehen kann, sondern nach wie vor ist das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft auch vom ersten Tage des Zusammenlebens der Partner möglich.
2. Freiwillige Ratenzahlungen zur Tilgung nicht titulierter Schulden können nicht vom Einkommen eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft abgesetzt werden. Ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft muss sein Einkommen für die Mitglieder einsetzen, auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl BVerwG vom 27.1.1965 - V C 32.64 = BVerwGE 20, 188).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. April 2006 aufgehoben.
Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 2) bezog seit dem 01. Januar 2005 von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Einen von der Antragstellerin zu 2) am 02. Februar 2006 gestellten weiteren Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 02. Februar 2006 ab. Den hiergegen von den Antragstellern zu 1) und 2) eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2006 als unbegründet zurück. Zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) bestehe eine Bedarfsgemeinschaft; den Zuzug des Partners in die Wohnung habe die Antragstellerin zu 2) am 02. Februar 2006 angezeigt und eine Meldebestätigung ab 31. Januar 2006 vorgelegt. Das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sei jedoch bereits am 26. Oktober 2005 durch die Feststellungen bei einer Außenprüfung bekannt geworden.
Am 23. März 2006 haben die Antragsteller zu 1) und 2) bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, der Antragstellerin zu 2) Arbeitslosengeld II ab dem 02. Februar 2006 zu gewähren.
Mit Beschluss vom 07. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin (richtig wohl: Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum März 2006 bis August 2006 476,00 Euro Arbeitslosengeld II monatlich zu bewilligen. Eine eheähnliche Gemeinschaft liege nach dem bisher ermittelten Sachverhalt bei der glaubhaft vorgebrachten Lebensgemeinschaft seit Februar 2006 nicht vor. Doch selbst wenn man eine eheähnliche Gemeinschaft unterstellte, ergäbe sich bei der zulässigen Einkommensbereinigung um den Ratenkredit in den Grenzen der Pfändungstabelle zu § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) und die Belastung um Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung der Antragstellerin (zu 2) ein Zahlbetrag von 215,00 Euro monatlich, der den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz der Antragstellerin zu 2) gewährleiste.
Gegen den dem Antragsgegner am 19. April 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 24. April 2006 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
Mit der Beschwerde vertritt der Antragsgegner weiterhin die Auffassung, der Hausbesuch des Prüfdienstes habe ergeben, dass die Antragsteller mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine eheähnliche Lebensgemeinschaft führten. Im Übrigen spielten die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bzw. Schulden bei der Einkommensanrechnung keine Rolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht verpflichtet, der Antragstellerin (zu 2) für den Zeitraum März 2006 bis August 2006 Arbeitslosengeld II zu bewilligen.
Eine einstweilige Anordnung darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den so genannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, den so genannten Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 920 Abs. 2 ZPO).
Maßgebend sind - auch im Beschwerdeverfahren - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
In Bezug auf Leistungen der Grundsi...