Entscheidungsstichwort (Thema)

Zutreffende Bezeichnung des Klagegegners als Voraussetzung der Zulässigkeit der erhobenen Klage - Parteiwechsel - Klageänderung

 

Orientierungssatz

1. Wer Beklagter i. S. des § 92 Abs. 1 S. 1 SGG ist, entscheidet sich danach, wie die in der Klageschrift gewählte Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus Sicht des Gerichts zu verstehen ist. Eine bloße Falschbezeichnung ist von einem Beklagtenwechsel zu unterscheiden. Im letzteren Fall liegt eine Klageänderung i. S. des § 99 SGG vor, die zu ihrer Zulässigkeit entweder sachdienlich sein muss oder mit einer Einwilligung des Prozessgegners verknüpft sein muss.

2. Hat die Krankenkasse mit der gegen einen Krankenhausträger gerichteten Klage die falsche i. S. einer unzutreffenden Rechtsperson als Träger des Krankenhauses und vermeintlich Anspruchsverpflichteten benannt, so wahrt eine Auswechselung der Rechtsperson die rechtliche Identität des ursprünglichen Klagegegners nicht. Sie stellt vielmehr einen gewillkürten Parteiwechsel dar. Mangels einer erklärten Zustimmung ist in einem solchen Fall die erhobene Klage unzulässig.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.572,80 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung von stationärer Krankenhausbehandlung.

Das H Klinikum B behandelte in der Zeit vom 25. April 2016 bis zum 27. April 2016 im Rahmen eines stationären Aufenthalts die bei der Klägerin versicherte E S. Die Klägerin beglich die von dem Krankenhaus erstellte Rechnung in Höhe von 3.572,80 Euro vollständig. Sie veranlasste eine Einzelfallbegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung, zur Frage der Überschreitung der unteren Grenzverweildauer sowie der korrekten Codierung der Prozeduren. Nach einer Krankenhausbegehung und Fallgespräch kam der MDK zu der Auffassung, eine stationäre Krankenhausbehandlung sei nicht notwendig gewesen, die Operation der Hand der Versicherten hätte ambulant erbracht werden können. Unter Berufung darauf bat die Klägerin das Krankenhaus ohne Erfolg um eine Korrekturmeldung und Erstattung der bereits gezahlten Vergütung von 3.572,80 €.

Mit der am 6. November 2018 beim Sozialgericht Berlin gegen die „H Kliniken GmbH als Trägerin des H Klinikums B, vertreten durch den Geschäftsführer FS, Fstraße, B, Institutionskennziffer Nr. “ gerichteten Zahlungsklage hat die Klägerin beantragt, die o.g. Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag von 3.572,80 € nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019 beantragte sie eine Berichtigung des Passivrubrums mit der Maßgabe, als Beklagte „H Klinikum B GmbH, S Chaussee, B“, einzutragen. Zwar müsse gemäß dem Sozialgerichtsgesetz die Klage neben dem Kläger und dem Gegenstand des Klagebegehrens auch den Beklagten bezeichnen, die gemachten Angaben seien jedoch der Auslegung fähig. Sie habe die Klage mit der Institutionskennzeichen-Nummer versehen und auch den Klagegegenstand sowie den Namen und das Geburtsdatum, ferner den konkreten Zeitraum des stationären Aufenthalts im Haus der H Klinikum B GmbH angegeben wie auch die Rechnungsnummer. Entscheidend für die Parteibezeichnung sei, wie diese bei objektiver Deutung aus Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen sei. In einem entsprechenden Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof (BGH) sei in der Klageschrift die Muttergesellschaft einer GmbH angegeben worden, gegen die vertragliche Gewährleistungsansprüche geltend gemacht worden seien. Der BGH habe ausgeführt, bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung sei grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden sollte. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung seien nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei dürfe nicht an deren fehlerhafte Bezeichnung scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen flüchtigen Zweifel an den wirklich gewollten aufkommen ließen. Dies gelte auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung tatsächlich existierenden juristischen oder natürlichen anderen Person gewählt worden sei, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich werde, welche Partei tatsächlich gemeint sei. Von einer solchen fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden sei die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei. Der BGH habe es insoweit für ...

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