Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. ärztliche Behandlung. keine Leistungspflicht für Injektion mit Medizinprodukt Sculptra (hier: zur Behandlung von Lipoatrophie bei HIV-Infektion)
Leitsatz (amtlich)
Injektionen mit dem Medizinprodukt Sculptra stellen eine einheitliche ärztliche Behandlung iSd § 28 Abs 1 SGB V dar und sind auch dann keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie der Behandlung einer Krankheit (hier: Lipoatrophie bei HIV-Infektion) dienen (Festhaltung an LSG Berlin-Potsdam vom 18.2.2010 - L 9 KR 10/08).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit Poly-Milchsäure in Form des Medizinprodukts Sculptra zur Behandlung einer Fettverteilungsstörung im Bindegewebe der Wangenknochen.
Der 1953 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einer HIV-Infektion. Zur Therapie dieser Infektion erhält er seit 1997 verschiedene antiretroviral wirksame Substanzen. Im Zuge dieser Therapie trat ab dem Jahre 1999 eine Lipoatrophie (Fettschwund) bzw. Lipodystrophie (Fettverteilungsstörung) auf, die insbesondere zu einem Schwund des Bindegewebes im Wangenbereich führte.
Sculptra ist am 11. Februar 2002 von der Europäischen Zulassungsbehörde für Medizinprodukte mit der CE-Nr. 0459 zugelassen worden. Sein Anwendungsgebiet erstreckt sich auf die Erhöhung des Volumens von eingesunkenen Hautzonen zur Korrektur von Falten, Furchen und Narben. Es wird unter die betreffenden Hautpartien injiziert.
Im Januar 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Gewährung von Injektionen von Poly-Milchsäure für ca. vier Sitzungen bei Kosten von 200,00 Euro pro Sitzung (inklusive Material und Medikamentenkosten). Dadurch solle geschwundenes Gewebe im Gesicht unterspritzt bzw. aufgefüllt werden, um eine Verletzungsgefahr beim Essen und der Körperpflege zu minimieren.
Nach Ablehnung des Antrags erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage (S 86 KR 979/02), welche mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2005 abgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass es sich bei der begehrten Behandlung um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, für die Wirksamkeitsnachweise fehlten. Die hiergegen zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobene Berufung (L 24 KR 1037/05) wurde am 31. Januar 2006 zurückgewiesen. Die Entscheidung des Landessozialgerichts hob das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 wegen eines Verfahrensfehlers auf (B 1 KR 113/06 B). Nach Zurückverweisung erhob das Landessozialgericht Beweis durch Einholung eines Gutachtens vom 5. Oktober 2007 des Sachverständigen Dr. T, Facharzt für Innere Medizin, nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. November 2007 und wies die Berufung mit Urteil vom 17. Juli 2008 zurück (L 24 KR 149/07). Zur Begründung führte es aus, dass die Versorgung mit Sculptra nicht beansprucht werden könne, da es sich um ein Medizinprodukt handele, welches nicht apothekenpflichtig und daher vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst sei. Insbesondere vermochte der Senat keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) zu erkennen. Denn nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sei erforderlich, dass sich ohne die Behandlung ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit zu verwirklichen drohe. Es sei aber nicht feststellbar, dass es bei dem Kläger ohne Behandlung der Lipoatrophie im Wangenbereich mittels Poly-Milchsäure zu einem solchen Krankheitsverlauf kommen werde. Die zum Bundessozialgericht erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg (B 1 KR 68/08 B).
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 2009 erneut die Versorgung mit Sculptra unter Verweis auf die Änderung des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit Wirkung vom 1. Juli 2008. Nach der Neufassung der Vorschrift kommt es auf die Apothekenpflichtigkeit eines Medizinprodukts für seine Verordnungsfähigkeit nicht mehr an. Mit Bescheid vom 23. April 2009 wies die Beklagte den Antrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, das Medizinprodukt Sculptra könne auch weiterhin nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, da es in der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte in der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht aufgezählt sei.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger im Wesentlichen an, aufgrund seiner HIV-Infektion sei er auf die regelmäßige Einnahme antiretroviraler Substanzen angewiesen. Um eine optimale Aufnahme der Wirkstoffe zu erzielen und so eine Resistenzbildung zu vermeiden und um erhebliche Reizunge...