Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffung eines Auto-Kindersitzes. kein notwendiger Bedarf bei Geburt. Anschaffung einer Brille. keine laufende Leistung im Sinne des § 21 SGB II. kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG ersichtlich. Prozesskostenhilfe. Grundsicherungsleistungen. Mehrbedarf. Notwendiger Bedarf bei Geburt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zulässigkeit gegen ablehnende Prozesskostenhilfe-Entscheidungen ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht an den Beschwerdewert gekoppelt. § 127 Abs. 2 S. 2 und § 511 ZPO sind nicht über § 73a Abs. 1 S. 1 SGG anwendbar.

2. Ein Auto-Kindersitz gehört nicht zur Erstausstattung bei Geburt. Die Anschaffung eines solchen Sitzes rechtfertigt daher nicht die Gewährung eines Mehrbedarfs.

 

Normenkette

SGB II § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, §§ 21, 20 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 172 Abs. 1, § 173; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, §§ 511, 114

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Kläger begehren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin, in dem sie auf Gewährung von Mehrbedarf für eine Brille sowie einen Kindersitz für das Auto klagen, Prozesskostenhilfe.

Die 1977 geborenen Kläger sind seit August 2005 verheiratet. Am 17. Juli 2006 wurde ihre Tochter M geboren. Am 14. September 2006 beantragten sie die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II), die ihnen der Beklagte nach Aktenlage zuletzt bis einschließlich 29. Februar 2008 monatlich gewährte.

Am 27. April 2007 beantragte die Klägerin, ihr Mehrbedarf in Höhe von 135,75 € für eine Brille zu bewilligen. Weiter beantragten sie und der Kläger die Gewährung von Mehrbedarf für einen Auto-Kindersitz (sog. “Römer„) im Wert von 153,00 € für die Tochter M. Mit Bescheiden vom 30. April 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung entsprechender Mehrbedarfe mit der Begründung ab, dass § 21 SGB II keine Mehrbedarfe für Brillen bzw. einen Kindersitz für das Auto vorsehe. Die hiergegen am 14. Mai 2007 erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2007).

Am 09. Juli 2007 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie begehren, die vorgenannten Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 288,75 € zu verurteilen. Zugleich haben sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass ihnen in der genannten Höhe Kosten für die Brille und den Kindersitz entstanden seien. Diese habe der Beklagte als Mehrbedarf zu tragen. Die Anschaffung eines Auto-Kindersitzes sei durch das Straßenverkehrsrecht vorgegeben und Teil einer Erstausstattung bei Geburt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Da ein Auto auch von Empfängern von Leistungen zur Grundsicherung besessen und genutzt werden dürfe, gebiete Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die ganze Familie, also auch das Kleinkind, in diesen Genuss komme. Ohne den Kindersitz wäre das familiäre Zusammenleben extrem beeinträchtigt, weil das Kind nicht im Auto mitgenommen werden könne. Auch eine Brille sei als Mehrbedarf anzuerkennen. Dass dies in § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II so nicht vorgesehen sei, stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Menschen mit einer Sehschwäche würden gegenüber Personen, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ungerechtfertigt benachteiligt. Sie müssten jedoch beide aus medizinischen Gründen im Interesse ihrer Gesundheit mehr Geld aufwenden als ein Gesunder.

Das Sozialgericht Berlin hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 17. Oktober 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zum einen die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt worden sei, zum anderen aber die Rechtsverfolgung auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der geltend gemachte Bedarf für die Kosten für den Erwerb eines Auto-Kindersitzes sei von der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst. Nicht hingegen zählten diese Kosten zu den nicht von der Regelleistung umfassten Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Dies folge aus Satz 6 der Vorschrift, wonach bei der Bemessung der Pauschalbeträge im Sinne des Satzes 5 nur die erforderlichen Aufwendungen zu berücksichtigen seien. Ein Auto-Kindersitz sei indes keine bei Schwangerschaft und Geburt erforderliche Anschaffung. Auch die Kosten für eine Brille seien von der Regelleistung umfasst. Der Auffassung der Kläger, § 21 Abs. 5 SGB II sei auf den Bedarf einer Brille zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG analog anzuwenden, folge die Kammer nicht. Eine etwaige Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt. Denn anders als die Kosten für den Erwerb einer Brille, die nur einmalig anfielen, könnten die Kosten für eine kostenaufwändige Ernährung, die lauf...

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