Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Voraussetzungen für die Weitergewährung des Krankengeldes

 

Orientierungssatz

1. Ein bereits entstandener Krankengeldanspruch des Versicherten bleibt nach § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 aufrechterhalten, solange die Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Die weitere Arbeitsunfähigkeit wird jeweils abschnittsweise bestätigt.

2. Der Versicherte muss zur Weitergewährung von Krankengeld alles tun, um innerhalb der gesetzlichen Frist eine verlängerte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Hat er einen fristgerechten Termin bei seinem behandelnden Arzt aufgrund einer falschen Information dieses Arztes versäumt, so entlastet dies den Versicherten nicht und löst auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus (vgl BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R).

3. War der Versicherte am Tag der Ausstellung der weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr aufgrund eines fortbestehenden Krankengeldanspruchs versichert, so ist ein Anspruch auf Krankengeld über den zuletzt bestätigten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit hinaus ausgeschlossen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.03.2020; Aktenzeichen B 3 KR 9/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld ab dem 6. Januar 2015.

Der 1968 geborene Kläger war bei der Beklagten versichert. Sein letztes Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 9. September 2014 zum 30. November 2014 beendet.

Am 15. Oktober 2014 wurde der Kläger mit Erstbescheinigung seines behandelnden Vertragsarztes K mit der Diagnose M51.2G ab dem Tag der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeits(AU)-Bescheinigung arbeitsunfähig geschrieben. In der Folge wurden weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 28. November 2014 ausgestellt.

Am 28. November 2014 bestätigte der behandelnde Arzt K auf einem Auszahlschein für Krankengeld die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 12. Dezember 2014. Auf einem weiteren Auszahlschein für Krankengeld bestätigte Herr K Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 5. Januar 2015. Der nächste Auszahlschein datiert dann vom 6. Januar 2015, auf ihm wurde Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 24. Januar 2015 bestätigt.

Durch Bescheid vom 8. Januar 2015 entschied die Beklagte, die Zahlung von Krankengeld mit dem 5. Januar 2015 einzustellen. Sie verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Mai 2012 - B 1 KR 19/11 R. Der behandelnde Arzt hätte spätestens am 5. Januar 2015 die weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigen müssen.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er wandte ein, dass er am Morgen des 5. Januar 2015 aus der Praxis seines behandelnden Arztes K angerufen und mit einem Verweis auf organisatorische Gründe gebeten worden sei, erst am 6. Januar 2015 zu erscheinen. Dazu legte er auch eine entsprechende Bestätigung der Praxis vom 12. Januar 2015 vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Sie nahm erneut Bezug auf die Entscheidung des BSG vom 10. Mai 2012. Seit dem 6. Januar 2015 sei der Kläger über seine Ehefrau familienversichert ohne Anspruch auf Krankengeld.

Mit der am 18. März 2015 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Krankengeld über den 5. Januar 2015 hinaus.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 16. März 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 46 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erst mit Wirkung vom 23. Juli 2015 dahingehend geändert worden sei, dass nunmehr für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld ausreiche, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit an dem Tag festgestellt werde, der auf den letzten Tag der bisherigen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit folge. Für den Kläger sei demnach noch der alte Rechtszustand maßgebend, wonach die Verlängerung bis zum letzten Tag der bisherigen Feststellung erfolgen müsse. Den Gesetzesmaterialien lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber eine rückwirkende Änderung der Rechtslage gerade nicht beabsichtigt habe.

Gegen das ihm am 23. März 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. April 2016 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Das Urteil des Sozialgerichts sei fehlerhaft. Er - der Kläger - sei durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Es komme entgegen dem Sozialgericht und der Rechtsprechung des BSG nicht drauf an, ob für jeden Bewilligungsabschnitt erneut eine lückenlose Attestierung der Arbeitsunfähigkeit erfolgt sei. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei lediglich für das erstmalige Entstehen des Krankengeldanspruchs erforderlich. Selbst wenn man grundsätzlich eine lückenlose Attestierung verlange, lie...

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