Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für das ambulant betreute Wohnen
Orientierungssatz
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss die örtliche Zuständigkeit des Leistungsträgers beim ambulant betreuten Wohnen nach § 98 Abs. 5 SGB 2 nicht endgültig geklärt werden. Das Gesetz enthält eine vorläufige Zuständigkeitsregelung. Der Streit über die zutreffende Zuständigkeit kann im anschließenden Erstattungsverfahren geklärt werden.
2. Für die Zuständigkeitsklärung ist die Vorschrift des § 14 SGB 9 heranzuziehen. Sie dient als verfahrensrechtliche Grundsatznorm, um den Nachteilen, die sich aus dem gegliederten Soziallistungssystem ergeben, für den Hilfebedürftigen zu begegnen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Kosten der Beigeladenen zu 1) + 2) sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Kostenübernahme für das betreute Gruppenwohnen nach abgeschlossener Suchttherapie in der S C-Nachsorge gemäß den §§ 67, 68 des 12. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die 1979 geborene Antragstellerin leidet an einer Alkoholkrankheit. Sie absolvierte in der Zeit vom 10. August bis 30. November 2005 auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bzw. jetzt der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) eine Langzeitentwöhnung in der F Klinik in M. Im unmittelbaren Anschluss befand sie sich vom 30. November 2005 bis 10. März 2006 ebenfalls auf Kosten der DRV-Bund im Adaptionshaus B (Träger T B-B e. V.) in B-B. Vor der Entwöhnungsbehandlung lebte die Klägerin bei ihren Eltern in E im Landkreis W. Dort war sie seit ihrer Geburt bis zum 23. Januar 2006 polizeilich gemeldet; dann erfolgte die Ummeldung nach B unter der Anschrift des Adaptionshauses.
Mit Datum vom 06. Februar 2006 beantragte die Antragstellerin mit zwei inhaltsgleichen Schreiben unter Beifügung einer ausführlichen Befürwortung des Dipl. Pädagogen B beim Antragsgegner und beim Beigeladenen zu 1) die Übernahme der Kosten für das ambulante betreute Wohnen des Einrichtungsträgers C-Verband für das Erzbistum B e. V. nach den §§ 67, 68 SGB XII.
Dieser Antrag ging ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners bei diesem am 09. Februar 2006 (vorab per Fax) ein, lag jedenfalls am 10. Februar 2006 nach einem Handzeichen dort vor. Am 21. Februar 2006 fand ein Gespräch mit der Antragstellerin statt, das zur Nachreichung verschiedener Unterlagen (z. B. Personalausweis, Anmeldebestätigung) und zu einer hausinternen Befürwortung führte.
Bei dem Beigeladenen zu 1) ging der Antrag vom 06. Februar 2006 auf dem Postwege am 13. Februar 2006 ein.
Diesen Antrag lehnte der Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 27. Februar 2006 mit der Begründung ab, dass die Maßnahme des ambulanten betreuten Wohnens nicht eine geeignete Maßnahme für die Antragstellerin sei. Geeignet sei insofern der Aufenthalt in einem Übergangswohnheim für Suchtkranke (18 Monate), anschließend ambulant betreutes Wohnen für seelisch behinderte Menschen; dabei handele es sich um Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII (i. V. m. § 3 der Eingliederungshilfe VO), die gegenüber der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII vorrangig sei. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. März 2006 Widerspruch eingelegt (der mittlerweile mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2006 abschlägig beschieden ist: Für die hier zu gewährende Eingliederungshilfe sei die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 3 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zum SGB XII des Landes Sachsen Anhalt - AG SGB XII LSA - gegeben).
Nach Erhalt des Ablehnungsbescheides des Beigeladenen zu 1) hat der C-Verband für die Antragstellerin am 03. März 2006 ergänzend mit förmlichem Sozialhilfeantrag die Übernahme der Kosten der Maßnahme beim Antragsgegner beantragt. Mit Schreiben vom 22. März 2006 an den C-Verband lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, er sei für die Bearbeitung des Antrages nicht zuständig. Die Antragstellerin habe bis zur Aufnahme in das Adaptionshaus B bei ihren Eltern in E gewohnt, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII richte, mit der Folge, dass der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, der vor Eintritt in das betreute Wohnen zuletzt örtlich zuständig gewesen sei, also der Träger für den Wohnort in E. Durch den Aufenthalt im Adaptionshaus zur Entwöhnung sei keine Änderung der Zuständigkeit eingetreten.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 23. März 2006, mit dem sie unter anderem geltend machte, ihr sei eine Kostenzusage mündlich erteilt worden. Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 05. April 2006 angekündigt hatte, dass der Widerspruch voraussichtlich (in der nächsten Beiratssi...