Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Aufhebung der Bewilligung. gerichtliche Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung zum Eintritt der Änderung der Verhältnisse. hinreichende Bestimmtheit. Geeignetheit der angeforderten Erklärungen und Nachweise. Nachweisvorlage im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen, die an die Nichtvorlage von Nachweisen zur Glaubhaftmachung einer Erklärung zum Eintritt der Änderung der Verhältnisse geknüpft werden, kann nicht offenbleiben, welche Nachweise das Gericht fordert und mittels welcher Nachweise ein Kläger/eine Klägerin die Aufhebung der Bewilligung vermeiden kann.
2. Die vom Gericht nach § 124 Abs 1 Nr 2 Alt 2 ZPO iVm § 120a Abs 1 S 3 ZPO geforderten Erklärungen und Nachweise müssen geeignet sein, Aufschluss über eine relevante Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben. Solche Erklärungen erfolgen zu dem Zweck, zu prüfen, ob sich die der PKH-Bewilligung zugrunde liegenden Verhältnisse nach Bewilligung geändert haben. Sie dienen nicht dazu, zu ermitteln, ob die Bewilligung ursprünglich rechtmäßig erfolgte.
Orientierungssatz
Die Prozesskostenhilfepartei kann die erforderliche Erklärung auch noch im Beschwerdeverfahren, das keine Präklusion kennt, und ohne Entschuldigung für die Verspätung vorlegen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. September 2018 aufgehoben.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und fristgemäß eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 07. September 2018 ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 01. Dezember 2016 zu Unrecht aufgehoben.
Die Voraussetzungen, die § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) aufstellt, waren bereits bei der Entscheidung des Sozialgerichts nicht erfüllt. Sie sind aber jedenfalls mit Erhebung der Beschwerde entfallen.
§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bestimmt:
„Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat.“
In Betracht kommt im Fall des Klägers allein die zweite Alternative, auf die das Sozialgericht seine Entscheidung auch gestützt hat. Der Kläger hat vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 01. Dezember 2016 keine unrichtigen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Er hat aber auch keine ungenügende Erklärung zu seinen Verhältnissen i.S. des § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO abgegeben. § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO ermächtigt das Gericht, die Prozesskostenhilfepartei jederzeit zu einer Erklärung aufzufordern, ob nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Das Gericht kann dabei verlangen, dass die Partei das in § 117 Absatz 3 ZPO vorgesehene Formular verwendet und Angaben glaubhaft macht. Spiegelbildlich dazu ist die Prozesskostenhilfepartei ihrerseits verpflichtet, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, wenn sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wesentlich ändern (§ 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Aufforderungen des Sozialgerichts, die der Aufhebung unmittelbar vorausgingen, waren teilweise nicht hinreichend bestimmt. Sie waren aber vor allem nicht von der gesetzlichen Ermächtigung und dem Überprüfungsauftrag umfasst.
Voraussetzung einer Aufhebung der Prozesskostenbewilligung (PKH-Bewilligung) nach der zweiten Alternative des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist ein hinreichendes, auf bestimmte Unterlagen konkretisiertes Verlangen des Gerichts (Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 16. Aufl., § 124 Rn. 6). Das Sozialgericht hat am 14. März 2018 den Kläger u.a. aufgefordert, „seine Vermögensverhältnisse vollumfänglich transparent zu machen“ und „Nachweise zum Grundeigentum bzw. den im PKH-Antrag bezeichneten Vermögenswerten“ vorzulegen. Beides lässt nicht erkennen, welche Unterlagen von dem Kläger verlangt wurden. Auch im nachfolgenden Schreiben vom 31. Juli 2018 werden diese nicht konkreter benannt. Der Kläger konnte auch nicht aus den vorangegangenen gerichtlichen Aufforderungen und Schreiben aus dem Jahr 2017, konkret vom 17. Dezember 2017, 06. September 2017 und vom 23. Juni 2017 entnehmen, welche Unterlagen das Sozialgericht nun anforderte. In den genannten vorherigen Schreiben hat das Sozialgericht zwar wiederholt um Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszuges gebeten und reagierte damit auf die am 21. Juli 2017 durch den Kläger getätigte Erklärung, wonach sein Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück im Grundbuch auf seine ehemalige Ehefrau überschrieben worden sei. Demgegenüber hatte er noch in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29. September 2016 erklärt, i...