Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen des SGB 2 bei Förderungsfähigkeit nach BAföG. Einstweilige Anordnung. besondere Härte. Auszubildende

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Beruf des Steuerfachangestellten handelt es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung i. S. des BAföG, die damit den Bezug von Leistungen des SGB 2 nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB 2 ausschließt.

2. Ein besonderer Härtefall i. S. von S. 2, der die darlehensweise Bewilligung von Leistungen des SGB 2 ermöglicht, setzt zu seinem Vorliegen voraus, dass die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Ausbildung verbunden ist.

3. Der mit der Leistungsversagung verbundene mögliche Abbruch der Ausbildung ist eine Folge, die gewöhnlich mit einem Leistungsausschluss verbunden ist. Dies gilt erst recht dann, wenn der Antragsteller bereits über eine erste abgeschlossene Ausbildung verfügt, die eine Eingliederung in Arbeit ermöglicht.

4. Im Hinblick auf die erstrebte Ausbildung bereits getroffene Vermögensdispositionen begründen keinen Härtefall.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2007 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig für die Zeit ab dem 1. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren wird abgelehnt.

Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sowie des Antragsverfahrens auf Aussetzung der Vollstreckung sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2007, mit dem das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet hat, der Antragstellerin ab dem 1. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, ist begründet.

Für die Gewährung von Leistungen vom Tag des Einganges des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei dem Sozialgericht Berlin am 6. Februar 2007 an bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren fehlt es an einem nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendigen Anordnungsgrund. Es besteht insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde.

In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫, 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend ...

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