Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit eines pauschalen Ablehnungsgesuchs gegenüber einem Gericht bzw. einem Senat wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Die pauschale Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, welche sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig.
2. Ein solches Gesuch des Antragstellers ist als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung erfolgen; eine solche ist bei einem rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsgesuch entbehrlich.
Tenor
Das Gesuch der Antragsteller, sämtliche Vertreter des Richters am Sozialgericht Diel als Vorsitzenden der 34. Kammer - Kostenkammer - und deren Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird die Sache an das Sozialgericht Cottbus zur Entscheidung über das Gesuch, den Richter am Sozialgericht Diel als Vorsitzenden der 34. Kammer - Kostenkammer - wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgegeben.
Gründe
Mit Schreiben vom 21. September 2015 lehnen die Antragsteller im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens den Richter am Sozialgericht Diel und dessen sämtliche Vertreter sowie deren jeweilige Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es stehe zu befürchten, dass die abgelehnten Richter einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon deshalb nicht unvoreingenommen gegenüberstehen, weil im Falle einer erfolgreichen Ablehnung die Arbeit der Kostenkammer durch diese übernommen werden müsste. Bei der Vielzahl der bereits jetzt zu erledigenden Verfahren werde jeder Richter wohl so ziemlich alles dafür tun, um nicht mit weiteren Verfahren belastet zu werden. Genau diese Gefahr aber bestehe, wenn die Richter des Sozialgerichts Cottbus einen Kollegen für befangen erklären.
Der Senat ist als im Rechtszug zunächst höheres Gericht gemäß §§ 61 Abs 1 Satz 1 SGG, 45 Abs 3 ZPO zur Entscheidung berufen. Für die Ausschließung und Ablehnung eines Richters gelten nach § 60 Abs 1 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren die §§ 41 bis 44, 45 Abs 2 Satz 2, 47 bis 45 ZPO entsprechend. Nach § 45 Abs 3 ZPO entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig wird. Nach Absatz 1 der Vorschrift gilt: Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Nach diesen Regelungen des § 45 ZPO begründet sich bei Ablehnung aller Richter eines Sozialgerichts die Zuständigkeit des LSG. Dabei kommt es nicht darauf an, dass bei offensichtlich unzulässigen bzw rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsgesuchen der abgelehnte Richter bzw dessen ebenfalls abgelehnte Vertreter auch über das Befangenheitsgesuch entscheiden dürfen (vgl BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, 2 BvR 625/01, RdNr 54; BSG, 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C RdNr 11), denn sie sind angesichts der gesetzlichen Vorgaben der §§ 60 SGG, 45 ZPO dazu nicht verpflichtend berufen. Im vorliegenden Fall wurde mit der Abgabe an das Landessozialgericht sachgerecht das insoweit bestehende Ermessen ausgeübt.
Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig und rechtsmissbräuchlich. Gemäß §§ 61 Abs 1 Satz 1 SGG, 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Hierzu bestimmt § 42 Abs 2 ZPO, dass wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus objektiv und vernünftig betrachtet Gründe vorliegen, die das Misstrauen rechtfertigen (Hüßtege in Thomas/Putzo: ZPO, 35. Aufl., § 42 RdNr 9 mwN). Die pauschale Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013, 1 BvR 2853/11, RdNr 28; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Aufl., § 60 RdNr 10b mwN, insbesondere mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C RdNr 11; Hüßtege in Thomas/Putzo: ZPO, 35. Aufl., § 42 RdNr 1a, mwN).
So stellt sich dies hier dar. Die Antragsteller haben in ihrem Schreiben vom 21. September 2015 pauschal alle Richter des Sozialgerichts Cottbus, die als Vertreter des geschäftsplanmäßig zuständigen Kammervorsitzenden, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Richter hindeuten, abgelehnt. Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben sich nicht ansatzweise aus dem Vorbringen der Antragsteller, es stehe zu befürchten, dass die abgelehnten Richter einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon deshalb nicht unvoreingenommen gegenüberstehen, weil im Fal...