Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis des in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Kindes für Leistungen des SGB 2
Orientierungssatz
1. Inhaber der in einer temporären Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern zusammenlebenden Kinder von Ansprüchen auf Leistungen des SGB 2 sind jeweils die einzelnen Kinder der Bedarfsgemeinschaft. Kinder bei temporärer Bedarfsgemeinschaft sind derjenigen Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen, bei der sie sich mehr als zwölf Stunden für den Kalendertag aufhalten. Jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist Inhaber eigener Ansprüche.
2. Deshalb kann das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit einer eigenen Klage bzw. mit einem eigenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht verfolgen. Die Bedarfsgemeinschaft des SGB 2 ist auch kein Fall einer gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft.
3. Die Klage eines minderjährigen Kindes muss daher von dem Kind, gesetzlich vertreten durch dessen Eltern erhoben werden. Anderenfalls ist sie unzulässig. Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB gemeinschaftlich durch die Eltern.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren vorbehaltlich der erstinstanzlichen Kostenentscheidung nicht zu erstatten.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Der Antragsteller steht im Leistungsbezug beim Antragsgegner. Er lebt getrennt von seiner Ehefrau und seinen Kindern M A B B (geboren am 10. Juli 1996), M F B (geboren 11. Oktober 1999) und F B (geboren 16. März 2001). Mit Bescheiden vom 25. Juli 2013 vom 23. August 2013 wurden dem Antragsteller für die Zeit vom 01. August 2013 bis 31. Januar 2014 Leistungen für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und Bedarfe für Unterkunft und Heizung bewilligt. Mit dem am 29. August 2013 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verfolgt der Antragsteller ebenso wie mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juli 2013 sein Anliegen auf weitere Leistungen: Bei dem Antragsteller bestünden konkrete Rechtsnachteile durch die Nichtberücksichtigung der mit seinen Kindern gebildeten temporären Bedarfsgemeinschaft bei fehlender Bewilligung und Auszahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er sei ohne diese Leistungen nicht in der Lage, den Unterhalt für seine Kinder und für sich zu bestreiten.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
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1. |
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Dem Antragsteller wird für das Antragsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Kanzlei ... - Rechtsanwälte beigeordnet. |
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2. |
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Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 2013 wird der Antragsgegner einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom 01. September 2013 bis 30. September 2013 in Höhe von 1.196,57 Euro zu bewilligen und auszuzahlen. |
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3. |
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Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 2013 wird der Antragsgegner einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom 01. Oktober 2013 bis 10. Oktober 2013 in Höhe von 398,86 Euro zu bewilligen und auszuzahlen. |
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4. |
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Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 2013 wird der Antragsgegner einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom 11. Oktober 2013 bis 31. Oktober 2013 in Höhe von 803,72 Euro zu bewilligen und auszuzahlen. |
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5. |
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Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 2013 wird der Antragsgegner einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom 01. November 2013 bis 31. Januar 2014 in Höhe von 1.205,58 Euro monatlich zu bewilligen und auszuzahlen. |
Der Antragsgegner hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen, wonach die Kinder bei temporärer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich der Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen sind, bei der sie sich mehr als 12 Stunden für den Kalendertag aufhalten. In Weiterzahlungsanträgen vom 20. Dezember 2012 und 18. Juli 2013 habe der Antragsteller die Frage nach besonderen Bedarfen beispielsweise Wahrnehmung des Umgangsrechts verneint.
Aufgrund der Bitte des Sozialgerichts um Übersendung eidesstattlicher Versicherungen des Antragstellers und der getrennt lebenden Ehefrau zum Aufenthalt der Kinder beim Antragsteller übersandte dieser seine eidesstattliche Versicherung. Der Antragsgegner überreichte eine “wahrheitsgemäße Erklärung„ der Kindesmutter. Danach lehnt diese Kontakt zum Antragsteller ab.
Mit Beschluss vom 15. Oktober 2013 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01. Oktober 2013 bis 31. Januar 2014 über die mit Bescheid vom 23. August 2013 bereits bewilligten...