Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beschwerdeausschluss. Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. unzulässige Analogie. Rechtsschutzbedürfnis für erneuten PKH-Antrag. Rechtsmissbräuchlichkeit. hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung. relative Laktose-Intoleranz. Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit eines zweiten Prozesskostenhilfeantrags, Beschwerdemöglichkeit gegen die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfeantrags wegen fehlendem Rechtschutzbedürfnis

 

Orientierungssatz

1. Wurde ein (zweiter) Prozesskostenhilfeantrag durch das Gericht mit Verweis auf die Ablehnung des ersten Antrags und das damit nunmehr bestehende fehlende Rechtschutzbedürfnis zurückgewiesen, ohne dass eine (erneute) Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse stattgefunden hat, so ist eine Beschwerde gegen diese Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG möglich.

2. Jedenfalls im sozialgerichtlichen Verfahren fehlt einem zweiten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der nach Ablehnung eines ersten Antrags gestellt wurde, auch dann nicht das Rechtschutzbedürfnis, wenn der erste Antrag abgelehnt wurde, weil der Antragsteller in der gesetzten Frist keine vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

3. Einzelfall zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB 2.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2011 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Klageverfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ab dem 10. Oktober 2011 ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwalt bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des (zweiten) Antrags des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 10. Oktober 2011 für das erstinstanzliche Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist zunächst nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Zu Unrecht meint das Sozialgericht, § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG sei vorliegend einschlägig, weil danach die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur noch mit der Beschwerde angefochten werden könne, wenn die Erfolgsaussichten vom Gericht in der Hauptsache verneint würden, und es zudem widersinnig wäre, dass eine Ablehnung wegen fehlender Glaubhaftmachung der prozessualen Bedürftigkeit nicht mit der Beschwerde anfechtbar sei, hingegen die erneute Ablehnung unter Bezugnahme auf diese formell rechtskräftige Ablehnung schon (das “nicht„ in dem angefochtenen Beschluss dürfte als “schon„ zu verstehen sein).

Der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG trägt einen Beschwerdeausschluss vorliegend nicht. Denn das Sozialgericht hat die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe gerade nicht verneint, sondern deren Vorliegen gar nicht erst geprüft, weil es angenommen hat, schon das Rechtsschutzbedürfnis für die erneute Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe vorliegend nicht. Auch der Hinweis auf den gesetzgeberischen Willen rechtfertigt vorliegend keinen Beschwerdeausschluss. Denn zwar hat der Gesetzgeber ausgeführt, die Ablehnung von Prozesskostenhilfe könne mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint worden seien (BT-Drs. 16/7716, S. 22). Er hat zudem an gleicher Stelle dargelegt, dass dann, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint habe, die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft sei. Dass der Gesetzgeber damit aber nicht alle Begründungsmöglichkeiten im Blick gehabt hat, mit denen ein Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen kann, zeigt sich schon daran, dass etwa der Fall der mutwilligen Rechtsverfolgung nicht erwähnt wird. Stützt das Gericht seine ablehnende Entscheidung aber auf die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung, ist die Beschwerde nicht ausgeschlossen, obwohl sich das Gericht zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht geäußert haben mag (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 172, Rn. 6h). Dementsprechend ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den Fall regeln wollte, in dem das Sozialgericht Prozesskostenhilfe schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt hat, so dass es insoweit bei der Grundregel des § 172 Abs. 1 SGG - Statthaftigkeit der Beschwerde - verbleibt. Der Hinweis des Sozialgerichts, für die “zweite„ Ablehnung von ...

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