Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Beschwerde gegen die Untätigkeit des Sozialgerichts
Orientierungssatz
1. Die Beschwerde nach § 172 Abs. SGG setzt zu ihrer Zulässigkeit eine gerichtliche Entscheidung voraus. Solange eine solche nicht vorliegt, kann die bloße Untätigkeit des Sozialgerichts nicht Gegenstand einer Beschwerde nach § 172 SGG sein.
2. Eine Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer kann auch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden. Dies verstieße gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die behauptete Untätigkeit des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger hat am 14. August 2007 Klage an das Sozialgericht erhoben mit dem Ziel einer Aufhebung der Herabsetzung des GdB und der Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung eines Gutachtens zum GdB aus den Verwaltungsvorgängen. Einer im Jahr 2008 ergangenen und bislang nicht aufgehobenen Beweisanordnung ist der Kläger entgegengetreten, weshalb das Sozialgericht die Erstellung des beauftragten Sachverständigengutachtens nicht weiter verfolgt hat. Ende September 2009 hat der Kläger sinngemäß beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und eine für die Beklagte als versorgungsärztliche Gutachterin tätig gewordene Ärztin als sachverständige Zeugin zu vernehmen. Auf Nachfrage hat das Sozialgericht dem Kläger mitgeteilt, die Sache stehe zur Terminierung an, ein konkreter Termin könne ihm aber noch nicht benannt werden.
Mit seiner am 15. März 2010 bei dem Sozialgericht eingegangenen Beschwerde rügt der Kläger die Nicht-Bescheidung seiner Beweisanregung und die seines Erachtens überlange Verfahrensdauer.
II.
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.
Gem. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet die Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht statt, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung liegt nicht vor, denn die bloße Untätigkeit eines Sozialgerichts kann nicht Gegenstand einer Beschwerde nach § 172 SGG sein. Für die erhobene Untätigkeitsbeschwerde existiert keine gesetzliche Grundlage.
Eine Untätigkeitsbeschwerde kann auch nicht im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden, denn eine solche Schaffung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs außerhalb des geschriebenen Rechts verstieße gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (vgl. LSG München, Beschluss vom 13. April 2010, L 19 R 184/10 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Juli 2008, L 3 B 869/08 R, jeweils zitiert nach Juris) und wäre darüber hinaus nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 8. Juni 2006, NJW 2006, 2389).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Fundstellen