Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer. Unionsbürger. Rückausnahme des Daueraufenthaltsrechts. Notwendigkeit der durchgehenden Meldung bei der Meldebehörde im 5-Jahres-Zeitraum. Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts durch Strafhaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückausnahme des § 7 Abs 1 S 4 und 5 SGB II setzt nicht nur eine einmalige Anmeldung bei der Meldebehörde, sondern ein durchgehendes Gemeldetsein im Bundesgebiet für die Dauer von mindestens fünf Jahren voraus.

 

Orientierungssatz

Zeiten der Verbüßung einer Freiheitsstrafe innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Sinne des § 4a Abs 1 S 1 FreizügG/EU 2004 unterbrechen den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Fünfjahreszeitraum beginnt nach der Haftentlassung wieder neu.

 

Tenor

Die unter dem Aktenzeichen L 5 AS 457/21 B ER registrierte Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Auf die unter dem Aktenzeichen L 5 AS 459/21 B ER PKH registrierte Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2021 hinsichtlich der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht und für das unter dem Aktenzeichen L 5 AS 457/21 B ER registrierte Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I S, K-M-Straße, B bewilligt.

 

Gründe

Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2021 gerichtete, unter dem Aktenzeichen L 5 AS 457/21 B ER registrierte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Anträge des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, a) ihm ab Antragseingang (9. März 2021) bis 31. Juli 2021, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) „in gesetzlicher Höhe einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 25,00 EUR pro Person und pro Tag für einen Unterkunftsplatz in dem Berlin, zu gewähren“, und b) ihm für die Zeit vom 1. Februar 2021 bis zum 8. März 2021 „Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 25,00 EUR pro Person und pro Tag für einen Unterkunftsplatz in dem Berlin, zu gewähren“, abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein „streitiges Rechtsverhältnis“ (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung „zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint“ (Anordnungsgrund). Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft zu machen. Er muss substantiiert und nachvollziehbar darlegen, dass die anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorliegen und dass ihm bei Ablehnung der von ihm beantragten einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile drohen, dass er mithin keine andere zumutbare Möglichkeit hat, die Nachteile einstweilen zu vermeiden oder zu kompensieren (vgl. Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86b SGG Rn. 409 - 410; Landessozialgericht "LSG" Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Dezember 2020, L 4 AS 465/20 B ER). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und -grundes dürfen zwar nicht überspannt werden. Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, genügt jedoch nicht, um einen unabwendbaren Nachteil anzunehmen. Vielmehr müssen durch eine spätere Entscheidung nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (vgl. Bundesverfassungsgericht "BVerfG", Beschluss vom 19. September 2017, 1 BvR 1719/17; BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2020, 1 BvR 1106/20).

Betrifft der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist dies nicht möglich (etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte), ist mithin der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, und entstünden dem Antragsteller bei Versagung des von ihm begehrten Eilrechtsschutzes schwere, unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, ist von den Vorgaben des § 86b Abs. 2 Satz 2, 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO abzuweichen und anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (bei der die Nachteile abzuwägen sind, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Haupt...

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