Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei ungeklärter Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Die hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist i. S. von §§ 73a Abs. 1 S. SGG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls PKH gewährt werden.
2. Gegen die Aufrechnungsbestimmung des § 42a Abs. 2 SGB 2 werden gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken erhoben; diese werden damit begründet, die laufende Minderung der Leistung zur Deckung des Regelbedarfs wegen Aufwendungen für ein Darlehen negiere die vom BVerfG geforderte Möglichkeit, Ansparungen auf Regelbedarfsanteile vorzunehmen.
3. Ist diese Rechtsfrage streitgegenständlich, so ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen PKH zu gewähren.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Februar 2014 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren mit Wirkung ab dem 26. Februar 2014 Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Februar 2014 ist weitgehend begründet. Überwiegend zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren abgelehnt, in dem die Klägerin anstelle eines ihr von dem Beklagten nach Maßgabe des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Begleichung von Stromschulden gewährten Darlehens die Gewährung eines Zuschusses begehrt und in dem sie sich weiter gegen die Tilgung dieses Darlehens durch eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des der Klägerin zustehenden jeweiligen Regelbedarfs wendet. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen für die Zeit ab dem 26. Februar 2014 hier vor.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 - 1 BvR 1998/02 - in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen bot die Klage der Klägerin, die seit dem 1. Januar 2015 aus dem Leistungsbezug bei dem Beklagten ausgeschieden ist, jedenfalls zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, die hier mit dem Eingang ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem Sozialgericht am 26. Februar 2014 eingetreten ist, hinreichende Erfolgsaussichten. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses anstelle eines Darlehens hat, wobei zu beachten ist, dass nach Maßgabe des Vergleichs zwischen den Beteiligten vor dem 10. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg am 20. August 2013 in dem Verfahren L 10 AS 1091/13 ein Teilbetrag von 750,- Euro bereits als Zuschuss gewährt worden ist, so dass sich das Darlehen nur noch auf 1.651,13 Euro beläuft. Denn jedenfalls ergeben sich die hinreichenden Erfolgsaussichten...