Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Diabetes mellitus
Orientierungssatz
Ist bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus eine Vollkost geboten, so rechtfertigt dies noch nicht die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im Rahmen der Leistung zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB 2.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung.
Die 1962 geborene Klägerin leidet an einem Diabetes mellitus Typ II und bezieht von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Vergangenheit hatte der Beklagte der Klägerin wegen ihrer Diabetes-Erkrankung Leistungen wegen eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 51,13 Euro bewilligt. Am 19. Mai 2009 beantragte die Klägerin Leistungen für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Juli 2009 und machte dabei auch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend. Der Beklagte bewilligte ihr indes mit Bescheid vom 27. Mai 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2009 für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2009 neben den hier nicht streitgegenständlichen Leistungen für Unterkunft und Heizung lediglich den monatlichen Regelsatz in Höhe von 359,- Euro.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juli 2009 Klage erhoben. Im Klageverfahren hat sie eine Stellungnahme ihrer behandelnden Ärztin Dr. T vom 16. September 2009 vorgelegt. Diese hat ausgeführt, dass neben der medikamentösen Therapie die Einhaltung eines adäquaten Ernährungsregimes eine Behandlungssäule sei. Dabei handele es sich um eine bilanzierte, ballaststoffreiche normale Mischkost; auf spezielle so genannte Diabetesnahrungsmittel könne verzichtet werden. Ob der Erwerb von zum Beispiel kalorienreduzierten oder zuckerreduzierten Lebensmitteln, zu denen die Klägerin zur besseren Steuerung ihres Stoffwechsels vielleicht häufiger greife, mit höherem finanziellen Aufwand verbunden sei, könne sie nicht beurteilen.
Die Klägerin hat handschriftlich “Gründe für Mehrbedarf„ verfasst. 30,- Euro (sie und die nachfolgenden Euro-Beträge sollen monatlich anfallen) seien für schadstoffarmes Obst und Gemüse aus deutschem Anbau aufzuwenden, da das andere belastet von Schadstoffen und krebserregend sei. Da “Insulin dies auch tu[e]„, könne sie diese Lebensmittel nicht zu sich nehmen; es könne nur lose Ware gekauft werden, die teurer sei. 12,- Euro seien für Roggen- und Vollkornbrötchen (zwei Stück am Tag) aufzuwenden. Wegen einer Niereninsuffizienz müsse sie vier Liter am Tag trinken, also zwei Flaschen mehr als andere; bei zu hohem Zucker müsse sie fast täglich einen Liter mehr trinken. Der Mehrbedarf belaufe sich auf 30,- Euro; da sie deswegen auch mehr Toilettenpapier verbrauche, falle ein weiterer Mehrbedarf von 1,90 Euro an. Zur Bekämpfung von Unterzucker benötige sie einen Mehrbedarf von 15,- bis 20,- Euro begründende “schnelle Kohlenhydrate„, Traubenzucker und Saft. Für vom Arzt “angeordneten„ Reha-Sport fielen 8,- Euro an, für zwei Mal in der Woche Schwimmen 40,- Euro.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2010 abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor. Soweit die Klägerin Mehrkosten für Schwimmen und Toilettenpapier geltend mache, dienten diese Aufwendungen bereits nicht der Ernährung. Auf spezielle Diabetes-Produkte sei die Klägerin auch nach Mitteilung ihrer behandelnden Ärztin nicht angewiesen. Auch im Übrigen seien unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. (nachfolgend: DV) keine weiteren Ermittlungen angezeigt. Denn nach diesen Empfehlungen sei bei Diabetes mellitus kein ernährungsbedingter Mehrbedarf, sondern Vollkost angezeigt.
Gegen den ihr am 26. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. März 2010 Berufung eingelegt. Bei den Empfehlungen des DV handele es sich um kein antizipiertes Sachverständigengutachten; sie seien zudem unzutreffend. Die Stellungnahmen und Gutachten, die zur Überarbeitung der ursprünglich einen Mehrbedarf bei Diabetes mellitus Typ II vorsehenden Empfehlungen geführt hätten, seien weder unumstritten, noch beruhten sie auf einem aktuellen Vergleich der Kosten einer normalen Ernährung mit der für einen Diabeteskranken erforderlichen Ernährung. Die Klägerin hat eine weitere handschriftliche Aufstellung vorgelegt, die den ernährungsbedingten Mehrbedarf begründen soll. Der monatliche Mehrbedarf belaufe sich auf 5,20 Euro für Diabetiker-Marmelade, zum Beispiel von “Natreen„, 22,50 Euro für Vollkornbrötc...