Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Anerkennung einer versicherungspflichtigen Zeit aufgrund Sozialleistungsbezugs als Anrechnungszeit
Orientierungssatz
1. Nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB 6 sind Anrechnungszeiten solche Zeiten, in denen Versicherte eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeiten in der Rentenbewilligung berücksichtigt waren und die vor dem Beginn dieser Rente liegende Zurechnungszeit.
2. Nach dem Ausschlusstatbestand des § 58 Abs. 1 S. 3 SGB 6 sind Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, keine Anrechnungszeiten.
3. Eine den Wortlaut einschränkende Anwendung der Ausschlussnorm widerspräche dem gesetzgeberischen Kompensationsgedanken.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer höheren Rente unter Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten.
Die Klägerin ist 1953 im früheren J geboren. Seit 27. Mai 2003 war sie arbeitsunfähig und bezog nach vorangegangenem Krankengeldbezug (vom 8. Juli bis 14. Juli 2003) ab 15. Juli 2003 bis 6. Juli 2004 und vom 8. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosengeld (Alg) und ab 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 sowie vom 1. November 2007 bis 31. Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II); für die genannten Zeiten des Sozialleistungsbezugs wurden bis 31. Dezember 2007 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab 1. Februar 2004 unter Anerkennung eines Leistungsfalls am 21. Juli 2003 zunächst befristet (Bescheide vom 24. Oktober 2007 und 4. Februar 2008) und sodann auf Dauer (Bescheid vom 9. September 2009) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Hierbei berücksichtigte sie die Zeiten vom 21. Juli 2003 bis 31. Dezember 2004 und ab 1. Januar 2005 bis 13. März 2013 als Zurechnungszeit (Bescheid vom 24. Oktober 2007).
Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf ihren entsprechenden Antrag mit Bescheid vom 12. September 2013 anstelle der bisherigen Rente ab 1. November 2013 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe eines Zahlbetrages von 748,61 € zuzüglich der abgeführten Beitragsanteile für die Kranken- und Pflegeversicherung. Hierbei berücksichtigte sie die Zeiten vom 21. Juli 2003 (Leistungsfall) bis zum 6. Juli 2004, vom 8. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2006 und vom 1. November 2007 bis zum 31. Dezember 2007 nicht als Anrechnungszeit, weil diese nach Vollendung des 25. Lebensjahres lägen und Versicherungspflicht aufgrund des Sozialleistungsbezugs bestanden habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2013 zurück mit der Begründung, Zeiten, in denen Versicherten nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, seien nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Anrechnungszeiten. Die Rentenbezugszeit in den gegenständlichen Zeiten treffe mit versicherungspflichtigem Sozialleistungsbezug (Alg und Alg II) zusammen, so dass diese Zeiten vollständig als Pflichtbeitragszeiten im Versicherungsverlauf enthalten seien.
Mit ihrer nachfolgenden Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das Bundessozialgericht (BSG) habe die Anerkennung von Anrechnungszeiten trotz Pflichtbeiträgen nicht generell ausgeschlossen. Nicht der Bezug der Erwerbsminderungsrente, sondern der rechtlich unabhängige Anspruch auf Krankengeld, Alg und Alg II habe zur Rentenversicherungspflicht geführt.
Mit Urteil vom 22. September 2015 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung unter Wiedergabe des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2015 - L 14 R 44/14 - ausgeführt: Die Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten aufgrund des Bezugs der Erwerbsminderungsrente bzw. einer vor dem Beginn dieser Rente liegenden Zurechnungszeit sei ausgeschlossen, weil die Klägerin im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig gewesen sei und auch das 25. Lebensjahr vollendet habe.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, die Gefahr einer Doppelanrechnung bestehe nicht, weil bei der Bewertung von beitragsgeminderten Zeiten sich im Rahmen einer Günstigerberechnung im Ergebnis allein der besser bewertete Tatbestand durchsetze. Es bestehe ein Bedürfnis für die Bewertung einer Anrechnungszeit jedenfalls dann, wenn die parallel bestehende Pflichtbeitragszeit einen anderen Lebenssachverhalt betreffe und - wie etwa beim Bezug von Alg II - nicht annähernd geeignet sei, den durch den Rentenbezug entstehenden Beitragsausfall zu kompensieren. Andernfalls würden selbst niedrigste Beiträge aufgrund eines Alg II-Bezugs die im Regelfall mit dem Gesa...