Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. pharmazeutischer Unternehmer. Generikaabschlag. Großhändler. örtlicher Vertreter. Rabattregelung des § 130a Abs 3b SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 4 Abs 18 AMG (juris: AMG 1976) geht davon aus, dass es für dasselbe Arzneimittel mehrere pharmazeutische Unternehmer geben kann.

2. Wer Arzneimittel aufgrund eines (Lizenz-)Vertrags unter eigenem Namen vertreibt, kraft zentraler

gemeinschaftsrechtlicher Zulassung auch als „örtlicher Vertreter“ zu gelten hat, kann zugleich pharmazeutischer Unternehmer sein.

3. Es entspricht Sinn und Zweck der Rabattregelung des § 130a Abs 3b SGB V, dass pharmazeutische Unternehmer, die auch örtliche Vertreter sind, den Rabatt schulden und nicht die Inhaber der gemeinschaftsrechtlichen Zulassung.

4. Es besteht, wenn Unternehmen unter Berufung auf ihr Vertriebsmodell als nur örtliche Vertreter eine Rabattpflicht ausschließen könnten, die Gefahr einer unerwünschten Rabattsituation zugunsten von Apotheken, wie sie § 130a Abs 3b SGB V gerade verhindern will.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.08.2022; Aktenzeichen B 3 KR 3/21 R)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass von ihnen vertriebene Arzneimittel nicht der Abschlagspflicht gemäß § 130a Abs. 3b Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegen, weil sie keine pharmazeutischen Unternehmer sind.

Die Klägerin zu 1) vertreibt das Insulinpräparat Huminsulin® in Deutschland. In einem Lizenz- und Liefervertrag hat sie es der Klägerin zu 2) gestattet, das Insulinpräparat unter dem Handelsnamen Berlinsulin® ebenfalls in Deutschland zu vertreiben („Co-Marketing“, Marketingkooperation). Der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Die Präparate verfügen über ein jeweils eigenes Markenzeichen. Beide Präparate werden von konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin zu 1) in demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang produziert. Die Originalzulassungen von Huminsulin® und Berlinsulin® beruhen jeweils auf einem vollständigen und eigenständigen Arzneimitteldossier, jedoch auf inhaltlich identischen Zulassungsunterlagen. Die Klägerinnen sind jeweils Zulassungsinhaberinnen für das von ihnen vertriebene Arzneimittel.

Die Klägerin zu 1) vertreibt auf der Basis eines Vertrags mit E L NB.V. zudem das Insulinanalogon („Kunstinsulin“[1]) Humalog® (Wirkstoff: Insulin lispro) am deutschen Markt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Gemäß dem Vertrag ist die Klägerin zu 1) berechtigt, die Produkte von E L Ne B.V. in dessen Auftrag zu bewerben und zu vertreiben („shall advertise and promote the Products on behalf of…“, Ziff. 1 des Vertrags).

Der Wirkstoff (Insulin lispro) unterliegt seit dem 23. November 2010 keinem Patentschutz mehr, für Humalog® besteht kein Unterlagenschutz mehr. Die Fachinformation für Humalog® gibt in der Kopfzeile Namen und Logo der Klägerin zu 1) („L“) wieder. Ziff. 7. der Fachinformation lautet: „Pharmazeutischer Unternehmer“: E L N B.V. Unter Ziff. „13. Kontaktadresse in Deutschland“ erscheint der Name und die Anschrift der Klägerin zu 1).

In einem Zusatz zu dem bestehenden Lizenzvertrag hat El L Export S.A. I B der Klägerin zu 2) den Vertrieb u.a. des Wirkstoffs „insulin lispro“ unter dem Handelsnamen Liprolog® in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gestattet. Gleichzeitig hat sich E L Export S.A. („L“) in dem Vertrag das Recht vorbehalten, Insulin Lispro durch Konzerngesellschaften ebenfalls in Deutschland zu vertreiben (Section 1 des Vertrags). Die benötigten Arzneimittel erwirbt die Klägerin zu 2) auf der Grundlage des o.g. Vertrags von E L Export S.A. I B. Auch für Liprolog® gibt die Fachinformation in der Kopfzeile Namen und Logo der Klägerin zu 2) wieder. Unter Ziff. 7 wird die E L N B.V. als „Inhaber der Zulassung“ benannt, unter Ziff. 13. „Kontaktadresse in Deutschland“ wird die Klägerin zu 2) mit Adresse genannt.

Sowohl Humalog® wie Liprolog® werden von einem konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin zu 1) hergestellt (L F S.A.S.) und stammen aus demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang; der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Im Unterschied zu Huminsulin® und Berlinsulin® sind aber nicht die Klägerinnen Inhaberinnen der jeweiligen Zulassung. Vielmehr besteht für Humalog® und Liprolog® jeweils eine europarechtliche Gemeinschaftszulassung, deren Inhaberin E L N B.V., die niederländische Konzernmutter der Klägerin zu 1), ist. Für den Wirkstoff Insulin lispro wurden im Rahmen des europaweiten Zulassungsverfahrens mehrere Zulassungen beantragt und erlangt (sogenannte „Dubletten-Zulassungen“), einmal unter dem Namen Humalog® und einmal unter dem Namen Liprolog®.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass Liprolog® kein Generikum bzw. Biosimilar von Humalog® ist.

§ 130a ...

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