Entscheidungsstichwort (Thema)
Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften für in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer eines polnischen Unternehmens. Versagung der Zustimmung zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung nach Art 17 EWGV 1408/71. kein Rechtsschutz mangels eigenem subjektiven Recht der Betroffenen. Verwaltungsakt. Ermessen der Mitgliedstaaten
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Ablehnung der Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung gem Art 17 VO 1408/71 (juris: EWGV 1408/71) gibt es mangels eines entsprechenden subjektiven öffentlichen Rechts keinen Rechtsschutz.
Normenkette
VO (EWG) Art. 17; VO (EWG) Art. 13 Abs. 2; SGB IV § 6; SGB X § 31; SGG § 54 Abs. 1, 5
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Beklagten zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) 1408/71.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der T S. z., einem polnischen Unternehmen, das seine Geschäftstätigkeit auch in Deutschland ausübte und bis zum 31. Mai 2006 Arbeitnehmer im Inland beschäftigte. Im Jahre 2005 beantragte die T S. z. bei dem polnischen Sozialversicherungsträger Ausnahmevereinbarungen nach Art 17 VO (EWG) 1408/71. Durch solche zwischen dem polnischen Sozialversicherungsträger und der Beklagten zu schließenden Ausnahmevereinbarungen blieben die betroffenen Arbeitnehmer trotz ihrer Beschäftigung im Inland von der Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts ausgenommen und weiter den polnischen Versicherungsvorschriften unterworfen.
Der polnische Sozialversicherungsträger schlug der Beklagten für dreißig Arbeitnehmer den Abschluss solcher Ausnahmevereinbarungen vor, die für Zeiträume bis längstens zum 31. Juli 2007 gelten sollten. Das lehnte die Beklagte gegenüber dem polnischen Sozialversicherungsträger mit Schreiben vom 8. März 2007 für sechs namentlich genannte Arbeitnehmer ab. Durch Schreiben vom 3. April 2007 wies die Beklagte die Klägerin auf die erfolgte Ablehnung hin und führte gleichzeitig aus, dass die Arbeitnehmer den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterliegen würden und beitragspflichtig seien. Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 3. Mai 2007 Widerspruch. Durch weitere Schreiben vom 27. Juni 2007 und 16. August 2007 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass sie ihre Zustimmung zum Abschluss von Ausnahmevereinbarungen auch für die weiteren von dem polnischen Sozialversicherungsträger benannten Arbeitnehmer verweigert habe. Auch dagegen erhob die Klägerin durch Schreiben vom 13. August 2007 und vom 26. Oktober 2007 jeweils Widerspruch. Der polnische Sozialversicherungsträger lehnte, nachdem die Klägerin ihm gegenüber ihre Zustimmung zum Abschluss von Ausnahmevereinbarungen verweigert hatte, gegenüber der Klägerin den Antrag auf Abschluss von Ausnahmevereinbarungen ab. Gegen diese Entscheidung soll nach Auskunft der Klägerin in Polen noch ein Klageverfahren anhängig sein.
Die Beklagte verwarf durch Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2009 die gegen ihre Schreiben vom 3. April 2007, 27. Juni 2007 und 16. August 2007 eingelegten Widersprüche als unzulässig. Der Widerspruch sei unzulässig, da er sich gegen den falschen Widerspruchsgegner richte. Zuständig für den Antrag auf eine Ausnahmevereinbarung sei die zuständige Stelle im Entsendestaat, hier also der polnische Versicherungsträger. Sie - die Beklagte - habe keinen Verwaltungsakt erlassen. Bei dem vom polnischen Sozialversicherungsträger erlassenen Bescheid handele es sich um einen mehrstufigen Verwaltungsakt. Der abschließenden Entscheidung gehe ein verwaltungsinternes Verfahren voraus. Die Klägerin könne gegen die Entscheidung des polnischen Sozialversicherungsträgers den in Polen zulässigen Rechtsbehelf einlegen.
Dagegen richtet sich die am 13. November 2009 bei dem Sozialgericht Düsseldorf eingegangene Klage, die durch Beschluss vom 17. Juni 2010 an das Sozialgericht Berlin verwiesen worden ist. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 6. Februar 2014 abgewiesen. Soweit eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben worden sei, sei die Klage mangels Verwaltungsaktqualität der angegriffenen Schreiben und der begehrten Zustimmungserklärung bereits unzulässig. Den angegriffenen Schreiben sei keine Regelungswirkung nach außen zu entnehmen. Sie enthielten lediglich die Mitteilung, dass dem Antrag auf Weitergeltung der polnischen Vorschriften nicht habe entsprochen werden können. Damit habe die Beklagte aber nicht einen Antrag abgelehnt, zumal das europäische Sozialrecht weder für die Bewilligung noch für die Ablehnung eines solchen Antrags eine Rechtsgrundlage vorsehe. Zuständig für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei der Träger des Staats, dessen Rechtsvorschriften weiter gelten ...