Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für freischaffende bildende Künstler. Zusätzliche Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler. FZR

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Erfüllung der Voraussetzungen nach dem AAÜG ist ein zweifelsfreier Ausspruch erforderlich, dass der Versicherte zum 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft bzw. einen Versorgungsanspruch gehabt hat.

2. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Versicherter aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30.07.1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte. Erforderlich ist vielmehr, dass der Betroffene nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden ist.

3. Bei Personen, die, am 30.06.1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend aufgrund originären Bundesrechts einbezogen wurden, ist zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundessrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten.

4. Alle Regelungen der Versorgungssysteme sind kein Bundesrecht geworden, die eine bewertende Entscheidung (“verdienstvoll”) und/oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebs, eines Direktors oder einer anderen staatlichen Stelle der DDR vorsahen.

 

Orientierungssatz

1. Die Annahme einer Versorgungsanwartschaft in den Zusatzversorgungssystemen für freischaffende bildende Künstler und für hauptamtliche Mitarbeiter der SED/PDS erfordert zunächst den zweifelsfreien Ausspruch des Versorgungsträgers, dass der Versicherte zum 1. 8. 1991 eine Versorgungsanwartschaft bzw. einen Versorgungsanspruch gehabt hat.

2. Gibt es eine solche Einzelfallentscheidung nicht und wurde der Betroffene auch nicht nachfolgend aufgrund originären Bundesrechts einbezogen, so ist entscheidend, ob der Nichteinbezogene aus Sicht des am 1. 8. 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. 6. 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte.

3. Die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem für freischaffende Künstler erfolgte aufgrund einer Ermessensentscheidung, bei der konkrete Auswahlkriterien nicht vorgegeben waren. Damit war eine von Willkür freie Entscheidung nicht gegeben. Derartige Ermessensentscheidungen dürfen nach der Rechtsprechung des BSG mangels sachlicher, objektivierbarer bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden. Ein Anspruch auf Übernahme in das Zusatzversorgungssystem für freischaffende Künstler ist damit ausgeschlossen.

 

Normenkette

AAÜG § 1 Abs. 1; Anlage 1 Nrn. 1, 27

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 27 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberleistungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, die Zeiten vom 1. Oktober 1963 bis 31. März 1976 und 1. April 1976 und 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Klägerin ist Witwe und Rechtsnachfolgerin des  1935 geborenen und 2003 verstorbenen Versicherten N P (im Folgenden Versicherter). Dieser erwarb nach Abschluss eines Studiums an der Hochschule für Bildende Künste und angewandte Kunst in Berlin am 26. Juni 1963 ein Diplom in der Fachabteilung Grafik. Vom 1. Oktober 1963 bis 31. März 1976 war er als Grafiker bei der D, DW- und Anzeigengesellschaft B, einer Einrichtung der SED, beschäftigt. Danach war er als freischaffender Künstler tätig. Dem Verband bildender Künstler gehörte er von Oktober 1964 bis Dezember 1971 sowie von Januar 1985 bis 1991 an. Er war nicht der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten.

Mit dem am 1. August 2001 eingegangenen Antrag beantragte er zunächst für die Zeiträume vom 1. Oktober 1963 bis 31. März 1976 und vom 1. April 1976 bis 30. Juni 1990 die Feststellung von Zusatzversorgungszeiten nach Nr. 4 (Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen) bzw. nach Nr. 16 (zusätzliche Altersversorgung der für freischaffende bildende Künstler) der Anlage 1 zum AAÜG. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2001 teilte er mit, dass er seinen früheren Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften insoweit abändere, als er sich nunmehr für den Zeitraum 1964 - 1991 nur noch auf seine Tätigkeit als freischaffender bildender Künstler berufe und die entsprechende rentenrechtliche Eingruppierung beantrage.

Mit Bescheid vom 20. November 2001 lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestel...

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