Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Nachentrichtung von Versicherungsbeiträgen. Fristbestimmung für die Nachentrichtung. Zulässigkeit der selbständigen Anfechtung einer Fristbestimmung für die Einzahlung der Nachentrichtungsbeiträge
Orientierungssatz
1. Wird in einem Bescheid über die Nachentrichtung von Rentenbeiträgen eine Frist gesetzt, innerhalb derer die Beiträge spätestens einzuzahlen sind, um die gewünschte Anpassung der Rentenleistung zu erreichen, so stellt diese Frist eine unselbständige Nebenbestimmung dar. Diese ist Bestandteil der Hauptregelung über die Gestattung der Beitragsnachentrichtung und kann nicht selbständig angefochten werden. Wird die Einzahlung nicht innerhalb der Frist vorgenommen, entfällt das Recht auf Nachentrichtung der Rentenversicherungsbeiträge.
2. Der Umstand, dass die Behörde bei einem Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Einzahlung der nachentrichteten Beiträge eine angemessene Frist festsetzen kann, eröffnet der Behörde kein Ermessen in Bezug auf die Fristdauer. Vielmehr stellt der Begriff der angemessenen Frist einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der vom Gericht voll überprüft werden kann.
3. Für die Aufbringung der Mittel zur Beitragsnachentrichtung in der Rentenversicherung ist grundsätzlich eine Frist von sechs Monaten ab Erteilung des Zulassungsbescheides angemessen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verlängerung einer Zahlungsfrist nach zugelassener Beitragsnachentrichtung.
Die im Januar 1930 geborene Klägerin ist die Witwe des 1920 geborenen und 1997 verstorbenen MZ (Versicherter), mit dem sie zurzeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Der Versicherte wohnte als israelischer Staatsangehöriger seit Januar 1959 in I. Er war Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Ihm war deswegen eine Entschädigung wegen einer Freiheitsentziehung von Oktober 1941 bis März 1944 bewilligt worden (Bescheid des Regierungspräsidenten K vom 20. Februar 1969).
Der Versicherte beantragte im Juni 1983 die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat I über soziale Sicherheit vom 20. November 1978 (BGBl II 1978, 575) - DV-DISVA - und die Anerkennung von Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Er wies darauf hin, dass keine Fremdbeitragszeiten nach § 20 Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) anzuerkennen seien.
Nachdem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) die Vormerkung von Ausbildungsausfallzeiten abgelehnt hatte (Bescheid vom 23. Juni 1989), konkretisierte der Versicherte im Dezember 1989 seinen Antrag auf Nachentrichtung zum Zeitraum, zur Anzahl und Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge. Mit Bescheid vom 13. Februar 1990 bewilligte die Beklagte dem Antrag entsprechend die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 30. Juni 1980 in Höhe von insgesamt 62.538,00 DM. Am 09. August 1990 gingen die Beiträge bei der Beklagten ein.
Im Januar 1990 beantragte der Versicherte neben der Gewährung einer Rente u. a. die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nach den §§ 20 WGSVG, 17 a Fremdrentengesetz (FRG) und von Ersatzzeiten nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG sowie die Nachentrichtung von Beiträgen bzw. die Neugestaltung der bisherigen Nachentrichtung nach den §§ 21, 22 WGSVG bei Gewährung einer Teilzahlung von einem Jahr. Er gab nunmehr an, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis anzugehören und Fremdbeitragszeiten zurückgelegt zu haben. Ergänzend teilte er mit, von Juli 1941 bis April 1944 eine Freiheitsentziehung erlitten und von Oktober 1948 bis Dezember 1958 Beiträge zur Sozialversicherung in Rumänien entrichtet zu haben.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1991 bewilligte die Beklagte dem Versicherten Altersruhegeld ab 01. Januar 1990 nach einer Rentenbemessungsgrundlage von 124,44 Prozent. Der Rentenberechnung legte sie die nach entrichteten freiwilligen Beiträge zugrunde. Nach weiteren Ermittlungen stellte sie mit Bescheid vom 01. September 1992 das Altersruhegeld ab 01. Januar 1990 mit einer Rentenbemessungsgrundlage von 124,44 Prozent neu fest. Im beigefügten Versicherungsverlauf merkte sie eine Zeit der NS-Verfolgung vom 31. Juli 1941 bis 31. März 1944 und eine Zeit der Vertreibung, Flucht vom 01. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 vor, die bei Halbbelegung anzurechnen sei. Die Anerkennung der Zeit vom 01. Oktober 1948 bis 15. Dezember 1958 als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit nach den Vorschriften des FRG lehnte sie ab...