Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung. Aufrechnung i. S. des § 51 Abs. 2, § 52 SGB I. Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase im Sinne des Insolvenzrechts auf Grundlage der sozialrechtlichen Aufrechnungs-/Verrechnungsverfügung. Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase im Sinn des Insolvenzrechts auf Grundlage der sozialrechtlichen Verrechnungsverfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Forderungen eines Sozialversicherungsträgers können grundsätzlich mit dem Rentenanspruch eines insolventen Unternehmers verrechnet werden.
2. Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.
3. Eine Verrechnungserklärung ist ein Verwaltungsakt.
4. Wann Aufrechnungen im Insolvenzverfahren unwirksam sind, ist in §§ 94 bis 96 Insolvenzordnung abschließend geregelt.
Normenkette
SGB I § 51 Abs. 2, §§ 52, 54 Abs. 4, § 39 Abs. 1; InsO § 36 Abs. 1 S. 2, §§ 87, 89, 94-96, 294 Abs. 1, 3; SGB X § 31 S. 1; BGB §§ 387-388, 394 Sätze 1-2; ZPO § 850c
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Leistungsklage wird abgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung, welche die Beklagte (Bekl.) zu Lasten der gegenüber dem Kläger (Kl.) vorzunehmenden Auszahlung von Rentenleistungen auf Veranlassung der Beigeladenen (Beigel.) und zu deren Gunsten vorgenommen hat.
Im Einzelnen:
Der verheiratete Kl., ein Industriemeister der Fachrichtung Textil, war von 1985 bis 1988 in eigenem Unternehmen tätig und beschäftigte in diesem Arbeitnehmer. Die Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheides vom 5. Juni 1990 des Arbeitsgerichts B, dem Kl. zugestellt am 13. Juni 1990, beantragt von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, betraf die Leistung von Konkursausfallgeld in der Zeit vom 1. September 1988 bis 8. Januar 1989 an ehemalige Arbeitnehmer der Strickwarenfabrik des Kl. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt für diese Zeit sei gemäß § 141 m Arbeitsförderungsgesetz - AFG - auf die leistende Behörde übergegangen. Ein diesbezügliches, von dort zunächst an die LVA N-O gerichtetes Verrechnungsersuchen über 17.458,43 DM wurde der Bekl. zugeleitet (Schreiben vom 18. Februar 1991, Bl. 87 der Verwaltungsakte).
Vom Landesarbeitsamt B-B der Bundesanstalt für Arbeit ging am 10. Januar 1997 bei der Bekl. die Anfrage ein, ob der Kl. Leistungen beantragt habe oder diese erhalte. Man beziehe sich auf ein Vormerk- bzw. Verrechnungsersuchen vom 18. Februar 1991. Die Bekl. entgegnete, dieses Ersuchen sei bereits bei ihr vorgemerkt. Leistungen beziehe der Kl. nicht.
Am 4. Mai 1999 ging von der Beigel. bei der Bekl. ein Ersuchen um Verrechnung von Beitragsansprüchen ein. Für den Fall, dass ein Rentenvorgang noch nicht bestehe, werde gebeten, dieses Ersuchen zu einem späteren Zeitpunkt vorzumerken und es im Versicherungskonto des Beitragsschuldners zu speichern. Unter dem 3. Juni 1999 antwortete die Bekl. dahin, der Kl. habe einen Rentenantrag bisher nicht gestellt. Das “Bestehen einer Beitragsschuld zum Zwecke einer Rentenaufrechnung„ werde vorgemerkt.
Über das Vermögen des Kl. wurde mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 6. Februar 2002 (Gz.: ) das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Bekl. gewährte dem Kl. mit Bescheid vom 26. April 2006 Regelaltersrente ab 1. Mai 2006 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von anfänglich 961,70 €. Die laufende Leistung nahm sie ab 1. Juni 2006 auf.
Die Bundesagentur für Arbeit konkretisierte ihre vorgemerkte Forderung mit Schreiben vom 16. Mai 2006: Diese valutiere auf insgesamt 18.964,12 € (restliche Hauptforderung 8.696,92 €, zuzüglich Zinsen 10.267,20 €). Die Verrechnung sei nach § 52 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - zulässig. Die Bekl. antwortete unter dem 24. Mai 2006 dahin, der für die Verrechnung gemäß diesen Vorschriften maßgebliche monatliche Zahlbetrag der Rente liege unter der Pfändungsfreigrenze, so dass pfändbare Beträge nicht zur Verfügung stünden.
Die Beigel. konkretisierte ihre Vormerkung vom 30. April 1999 mit Schreiben vom 12. Mai 2006: Der Kl. schulde ihr Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen für die Zeit vom 1. August 1988 bis 8. Januar 1989 in Höhe von 38.546,82 € zuzüglich weiterer Säumniszuschläge in Höhe von 1 v.H. ab Januar 2002. Es handele sich also um eine Verrechnung nach § 52 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I. Der Beitragsbescheid sei am 4. August 1995 zugestellt und seit dem 3. September 1995 unanfechtbar. Die letzte die Verjährung unterbrechende Maßnahme sei am 21. März 2001 erfolgt. Die Ansprüche seien nicht verjährt, die Forderung beim Insolvenzverwalter angemeldet. Bis zum 6. Februar 2008 befinde sich der Kl. in der Wohlverhaltensphase im Sinne des Insolvenzrechtes.
In ihrer Anhörungsmitteilung vom 24. Mai 2006 wies die Bek...