Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung (hier: mobiler Patientenlifter). vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe. Vorhaltepflicht des Heimträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt.
2. Dies gilt auch, wenn sich der Versicherte nicht in einem vollstationären Pflegeheim, sondern in einer vollstationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne von §§ 43a, 71 Abs 4 SGB 11, 13 Abs 2 SGB 12 befindet (vgl BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122-137 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13).
3. Mobile Patientenlifter gehören in der Regel nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln im Sinne von § 33 SGB V, für die stets die Krankenkassen zuständig sind. Da bei ihrer Verwendung die Ermöglichung und Erleichterung von Pflegemaßnahmen im Vordergrund steht, sind sie vom Heimträger bzw von der Einrichtung zur Verfügung zu stellen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Patientenlifters des Modells „Horcher Lexa L“ als Sachleistung.
Der 1987 geborene Kläger leidet an einem Apallischem Syndrom mit schweren cerebralen Störungen und Tetraspastiken. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt mit den Merkzeichen B, Bl, aG, H, RF und T. Er ist ca. 1,85 m groß und wiegt ca. 85 kg.
Der Kläger ist vollständig immobil, kann weder gehen noch stehen, hat keine Kontrolle über seine Kopf- und Rumpfmuskulatur, ist harn- und stuhlinkontinent, kann nicht sprechen sowie nicht eigenständig schlucken und wird daher über eine PEG-Sonde ernährt. Er reagiert jedoch auf Schmerzreiz sowie akustische Reize und ist insbesondere bei akustischen Reizen mitunter sehr schreckhaft. Er hat Spastiken in den oberen und unteren Extremitäten, insbesondere eine ausgeprägte Beugespastik der Ellenbogen beidseitig, Kontrakturen in den Armen, Händen, Fingergelenken und Beinen.
Der Kläger hatte die Pflegestufe 3 und hat aktuell Pflegegrad 5. Er erhält von der Pflegekasse der Beklagten Leistungen bei stationärer Pflege, die seit 2003 im Wohnheim der Beigeladenen im PPB durchgeführt wird. Diesbezüglich schloss die Mutter des Klägers als dessen rechtliche Betreuerin mit der Beigeladenen am 28. März 2011 einen Wohnheimvertrag. Nach § 3 des Vertrages leistet der Unternehmer Betreuung gemäß der vorvertraglichen Information. Nach § 4 erbringt der Unternehmer pflegerische Leistungen, soweit diese im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werden können. Leistungen der medizinischen Behandlungspflege werden nach § 4 (5) unter der Voraussetzung angeboten, dass die Hilfsmittel durch den Bewohner beschafft bzw. er der Anspruch gegenüber der Krankenkasse durchgesetzt hat.
Das Wohnheim ist eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne des §§ 43a SGB XI. Das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe erbringt Hilfe in dieser Einrichtung in vollem Umfang und nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches/ Zwölftes Buches (SGB XII) gegenüber dem pflegebedürftigen Behinderten. Es schloss mit der Beigeladenen eine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII i.V.m. dem Berliner Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für Hilfen in Einrichtungen ab. Nach § 9.1 der Vereinbarung sind in der vereinbarten Vergütung Pflegeleistungen enthalten. Nach § 9.2 leistet das Land Berlin die nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarte Vergütung in voller Höhe an die Einrichtung und macht nach § 95 SGB XII den Anspruch auf Leistungen nach § 43a SGB XI gegenüber der Pflegekasse direkt geltend.
Nachdem der Kläger von 2003 bis 2012 den Patientenlifter eines anderen Pflegebedürftigen mitnutzen konnte, beantragte er nach dessen Wegzug unter Vorlage einer Verordnung seiner behandelnden Ärzte für Allgemeinmedizin vom 27. Juli 2012 und eines Kostenvoranschlages vom 21. August 2012 in Höhe von 5.561,23 Euro die Gewährung eines Patientenlifter des Typs „Horcher Lexa L“ nebst Zubehör als Sachleistung.
Zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK) sowie einen Hilfsmittelberater zur Begutachtung der Hilfsmittelsituation. Der Hilfsmittelberater kam nach einem erfolgten Hausbesuch in der Wohngruppe des Klägers zu dem Ergebnis, dass mit einem Lifter mit schwenkbaren Sitz-/Liegebügel sowohl ein bequemes Umsetzen des Klägers, als auch eine Reduzierung der zum Teil sehr athetotischen Bewegungen des Klägers möglich sei. Durch die konstruktionsbedingte weite Anordnung des Trapezbügels sowie durch eine entsprechende Sitzeinstellung werde die Verletzungsgefahr bei den überstreckten Bewegungsmustern ...