Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz bei der Unterbrechung des Weges von und zu der Arbeit
Orientierungssatz
1. Zu der unfallversicherten Tätigkeit zählt nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB 7 das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der beruflichen Tätigkeit.
2. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, so besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen versicherten Weg wieder aufzunehmen (Anschluss BSG Urteil vom 4. 7. 2013, B 2 U 12/12 R).
3. Allgemeine Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Pkw. , wie z. B. Tanken, Inspektionen, Reparaturen u. s. w. sind als Vorbereitungshandlungen unversichert, auch wenn sie letztlich mit einer auf die grundsätzlich versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden.
4. Ausnahmsweise besteht Versicherungsschutz nur bei einem während der Fahrt von und zur Arbeit erforderlich gewordenen unvorhergesehenen Auftanken des Fahrzeugs. Das ist dann der Fall, wenn der Treibstoff für das benutzte Fahrzeug plötzlich aus Umständen, die der Versicherte nicht zu vertreten hat, für ihn vollkommen unerwartet zur Neige geht, etwa weil wegen einer Verkehrsumleitung oder wegen eines Staus der Kraftstoffverbrauch so stark ansteigt, dass der Versicherte ohne ein Nachtanken die Arbeitsstelle bzw. seine Wohnung nicht mehr erreichen kann.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Sätze 1-2
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Unfalls vom 15. März 2010 als Arbeitsunfall.
Die 1983 geborene Klägerin arbeitete zum Unfallzeitpunkt als Serviceberaterin bei der Sparkasse M in der Geschäftsstelle F, F Str., F. Laut Unfallanzeige vom 18. März 2010 befand sie sich am Unfalltag auf dem Weg zur Arbeit, blinkte, um zum Tanken nach links auf eine Tankstelle abzubiegen und hielt verkehrsbedingt an. Das hinter ihr fahrende Fahrzeug fuhr auf ihr Fahrzeug auf (Unfallskizze vom 29. November). Im von der Beklagten übersandten Unfallfragebogen gab sie an, der von ihr am Unfalltag zurückgelegte Weg entspreche dem gewöhnlichen Weg.
Sie erlitt bei diesem Unfall eine Lendenwirbelsäulenprellung (Durchgangsarztbericht des Dr. K vom 15. März 2010). Ein MRT vom 21. April 2010 ergab keinen Anhalt für Traumafolgen; es ergab sich bis auf diskrete Scheuermann‚sche Residuen in Höhe des thorakolumbalen Übergangs auch sonst ein unauffälliger Befund. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 29. April 2010.
Mit Bescheid vom 9. März 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15. März 2010 als Arbeitsunfall ab und führte zu Begründung unter anderem aus, die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Unfalls keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Zwar sei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit versichert. Dies gelte jedoch nicht für Wege, die vom Ziel hinweg oder über das Ziel hinaus führen (Abwege) und für Wege die eingeschoben bzw. verlängert würden (Umwege). Der Unfall habe sich in Höhe einer Tankstelle ereignet. Die Klägerin habe angegeben, ihr Fahrzeug betanken zu wollen. Diese Tätigkeit sei dem persönlichen, eigenwirtschaftlichen Lebensbereich zuzuordnen und stehe mit der versicherten Tätigkeit in keinem inneren Zusammenhang. Die Klägerin habe zum Zweck des Tankens die Weiterfahrt zur beruflichen Tätigkeit unterbrochen, habe sich auf ihrer Fahrspur nach links abgesetzt, geblinkt und sei stehen geblieben. Anschließend sei der nachfolgende Autofahrer auf ihr Kraftfahrzeug aufgefahren. Eindeutig sei ihr Ziel zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nicht das Aufsuchen der Arbeitsstelle, sondern das Betanken des Autos gewesen. Die Handlungstendenz sei zu diesem Zeitpunkt eindeutig auf die Ausübung der privaten Tätigkeit ausgerichtet gewesen. Ein Arbeitsunfall habe somit nicht vorgelegen.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren führte die Klägerin unter anderem aus, sie fahre einen PKW Skoda Octavia, Baujahr 2004. Dieses Fahrzeug verfüge nicht über eine digitale Tankanzeige, sondern über eine Tanknadel. Die Anzeige dieser Tanknadel sei auch für geübte Fahrer nicht immer leicht interpretierbar, da diese stark abhängig vom Kraftstoffverbrauch - abhängig von Außentemperatur, Heizbedarf und Verkehrsdichte - nur etwaige Näherungswerte angebe. Sobald aber nach Vorgabe der Elektronik das Tanken notwendig werde, ertöne ein Signalgeräusch und es leuchte eine gelbe Zapfsäule im Cockpit auf. Vor Fahr...