Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Berücksichtigung von Zeiten einer Untersuchungshaft in der früheren DDR bei der Rentenberechnung. Qualifizierung von Anwartschaftsgebühren als Pflichtbeiträge

 

Orientierungssatz

1. Für einen Untersuchungsgefangenen in der ehemaligen DDR bestand keine Versicherungspflicht in der DDR-Sozialversicherung (Anschluss LSG Brandenburg, Urteil vom 17. Juni 2003, L 2 RA 142/02). Insoweit kommt auch eine Berücksichtigung dieser Zeiten als Beitragszeiten bei der Ermittlung eines Rentenanspruchs nicht in Betracht.

2. Sogenannte Anwartschaftsgebühren, die in der ehemaligen DDR durch die Volkspolizeibehörde für Strafgefangene an den Rentenversicherungsträger zur Aufrechterhaltung von Rentenanwartschaften gezahlt wurden, sind keine Rentenversicherungsbeiträge im Sinne des § 248 Abs. 3 S. 1 1. Halbsatz SGB 6, auch wenn der Strafgefangene in einem Volkseigenen Betrieb während der Strafhaft Arbeitsleistungen verrichtete.

3. Für Zeiten einer Untersuchungshaft in der früheren DDR kommen auch rentenrechtlich die Zuerkennung einer Anrechnungszeit oder die Vormerkung einer Ersatzzeit nicht in Betracht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte den Zeitraum vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitragszeit berücksichtigen muss.

Der Kläger befand sich vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 im Beitrittsgebiet in Untersuchungshaft in der StVA Berlin I.

Auf den Kontenklärungsantrag des Klägers vom 10. Dezember 1999 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2000 die rentenrechtlichen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen, verbindlich fest. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und machte unter anderem geltend, es sei auch der Zeitraum der Inhaftierung in der StVA Berlin I vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 zu berücksichtigen. Er legte die Kopie eines Entlassungsscheins vor. Hieraus ergab sich unter anderem, dass für die Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 Gebühren zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft durch die Verwaltung Strafvollzug entrichtet worden waren. Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung fand sich für diesen Zeitraum keine Eintragung.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2001 hob die Beklagte den Bescheid vom 10. Mai 2000 teilweise auf, lehnte jedoch die Vormerkung der Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Ersatzzeit ab, weil insoweit keine Rehabilitation oder Kassation erfolgt sei. In seinem Widerspruch hiergegen verwies der Kläger auf den Entlassungsschein.

Mit Bescheid vom 19. November 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01. September 2002. Der Bescheid enthielt den Hinweis, die Rente sei unter Außerachtlassung der im Verfahren gegen den Bescheid vom 17. Juli 2001 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden. Die Rente werde neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zu seinen Gunsten beendet werde. Mit weiterem Bescheid vom 16. März 2004 wurde die Rente von Beginn an neu festgestellt.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2004 wies die Beklagte den Kläger unter anderem darauf hin, dass für Zeiten des Arbeitseinsatzes während des Strafvollzugs nach dem Recht der DDR grundsätzlich keine Beiträge zu zahlen gewesen seien. Entsprechende Zeiten seien deswegen grundsätzlich nicht als Beitragszeiten nach § 248 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen. Für Zeiten der Haft vom 01. Dezember 1951 bis zum 07. April 1952 sowie vom 01. Juli 1954 bis zum 30. Juni 1968 seien für die im Arbeitseinsatz stehenden Inhaftierten nur Anwartschaftsgebühren gezahlt worden. Ab dem 01. Juli 1968 sei auch die Zahlung von Anwartschaftsgebühren entfallen. Anwartschaftsgebühren seien keine Beiträge im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI. Ehemaligen politischen Häftlingen, deren Haft- oder Gewahrsamszeiten als rechtsstaatswidrig nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) bzw. bei denen der Zeitraum eines Gewahrsams in einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) festgestellt worden seien, werde die Zeit einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung bzw. des Gewahrsams unter den Voraussetzungen des § 250 Abs. 5, 5a SGB VI als Ersatzzeit angerechnet. Entsprechende Nachweise über eine Rehabilitierung seien vorzulegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2005 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Juli 2001 zurückgewiesen und zur Begründung auf das Schreiben vom 16. Juli 2004 verwiesen.

Mit seiner vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Anerkennung unter anderem der Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitrags- bzw. Ersatzzeit begehrt. Während der Untersuchungshaft habe er nicht offiziell arbeiten dürfen. Er sei zeitweilig im Küchendienst oder auch f...

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