Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Arbeitsunfähigkeit. Benennungspflicht. Verweisungstätigkeit

 

Orientierungssatz

Bestehen trotz eines vollschichtigen Leistungsvermögens im konkreten Einzelfall im Hinblick auf Lage, Verteilung, Umfang und Vorhersehbarkeit von zu erwartenden Arbeitsunfähigkeitszeiten ernsthafte Zweifel, ob der Versicherte noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar ist, ist eine Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B = SozR 4-2600 § 43 Nr 19).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im Jahre 1952 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Elektromonteur und war im erlernten Beruf bis Januar 1977 beschäftigt. In den Jahren 1977 bis 1990 war er im Polizeidienst der DDR, anschließend als Busfahrer bei den B Verkehrsbetrieben beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 31. Januar 2002.

Im November 2003 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen wies die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 16. August 2004 mit der Begründung zurück, der Kläger könne zwar in seinem bisherigen Beruf als Busfahrer nicht tätig sein, sei jedoch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und dort vollschichtig einsetzbar.

Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin hat das Gericht u. a. Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 15. Juni 2006 der Internist und Rheumatologe Dr. H ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch vollschichtig verrichten. An dieser Einschätzung hat er auch in seiner Stellungnahme vom 02. April 2007 festgehalten.

Durch Gerichtsbescheid vom 16. März 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der Gesundheitszustand des Klägers sei insbesondere durch den Sachverständigen Dr. H zutreffend festgestellt worden. Auch danach habe sich keine wesentliche Änderung ergeben. Er habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, weil er in einem Anlernberuf tätig gewesen sei und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt habe verwiesen werden können.

Gegen diesen ihm am 27. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. März 2009 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Seit dem 1. September 2012 bezieht er von der Beklagten eine Altersrente und hat deshalb im Berufungsverfahren das Begehren auf die Zeit bis zum 31. August 2012 und auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beschränkt. Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für nicht zutreffend. Ihm stehe eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2004 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. November 2003 bis zum 31. August 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Im Verfahren vor dem Landessozialgericht hat das Landessozialgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts insbesondere zwei weitere medizinische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Zunächst hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung von Amts wegen der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Prof. Dr. S am 26. März 2012 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger unterliege wegen seiner rheumatischen Erkrankung verschiedenen qualitativen Leistungseinschränkungen, könne im Übrigen aber vollschichtig tätig sein. Frühschichten seien nicht möglich, auch Tätigkeiten im Schichtwechsel oder Nachtschichten seien nicht möglich, das Gleiche gelte für Tätigkeiten in Zwangshaltungen, im Akkord und im Freien. Sodann hat infolge Antrags des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumatologie Dr. P am 05. Juli 2012 ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, eine Tätigkeit als Busfahrer sei nicht möglich. Es sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers eingetreten, die jedoch als geringgradig einzuschätzen sei. Unter Berücksichtigung von qualitativen Leistung...

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