Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwenrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Witwe mit Wohnsitz in Polen seit 1982. Tod des Versicherten nach dem 31.12.1990. Anwendung des RV/UVAbk POL iVm Art 27 Abs 2 SozSichAbk POL. Berücksichtigung von vor dem 1.1.1991 in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten des Versicherten. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 5 R 36/17 R

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob bei einer Witwe mit polnischer Staatsangehörigkeit, die seit 1982 durchgehend (und somit auch am 31.12.1990) ihren Wohnsitz in Polen hatte, das RV/UVAbk POL iVm Art 27 Abs 2 SozSichAbk POL Anwendung findet, wenn der Versicherte nach dem 31.12.1990 verstorben ist, und zur Frage, ob daher die vom Versicherten vor dem 1.1.1991 in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten nicht bei der Berechnung der deutschen Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen B 5 R 36/17 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bis zum 31. Dezember 1990 zurückgelegte Versicherungszeiten bei der Feststellung einer Witwenrente (WR) in die Versicherungslast der Beklagten oder des polnischen Sozialversicherungsträgers (ZUS) fallen.

Die 1949 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige und Witwe des 1935 geborenen und 2015 verstorbenen W K (Versicherter), der - nach Erwerb polnischer Beitragszeiten vom 27. Januar 1954 bis 25. November 1963 - als Spätaussiedler am 22. August 1996 nach Deutschland eingereist war und ab 10. Oktober 1966 Pflichtbeitragszeiten in der GRV zurückgelegt hatte. Nach Erwerb von Pflichtbeitragszeiten in Polen vom 1. August 1982 bis 31. August 1984 lebte und arbeitete der Versicherte ab 1. September 1984 wieder in Deutschland; seit dem 1. Januar 1996 bezog er von der Beklagten Altersrente (AR) wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit. Die Klägerin lebte und lebt seit 1982 durchgehend in Polen. Der Versicherte selbst kehrte im November 2004 nach Polen zurück, woraufhin die Beklagte die AR mWv 1. Dezember 2005 neu feststellte (Bescheid vom 4. November 2005).

Auf den Antrag vom September 2015 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 8. März 2016 für die Zeit ab 1. September 2015 große WR (Zahlbetrag ab 1. Juli 2016 = mtl 37,35). Dabei berücksichtigte sie bei der Berechnung des Werts des Rechts auf Rente nur die in Deutschland nach dem 31. Dezember 1990 zurückgelegten Versicherungszeiten; die Abgeltung der davor liegenden Zeiten obliege dem polnischen Versicherungsträger, weil die Klägerin ihren Wohnsitz am 31. Dezember 1990 in Polen gehabt und seither dort beibehalten habe. Der Widerspruch der Klägerin hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. April 2016). Der anteilige Besitzschutz nach Maßgabe von § 88 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) liege unter den für die WR ermittelten persönlichen Entgeltpunkten. Den Überprüfungsantrag vom September 2016 lehnte die Beklagte ab mit der Begründung, dass die WR den gesetzlichen Vorschriften entsprechend berechnet worden sei (Bescheid vom 14. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2016).

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2016 antragsgemäß verpflichtet, den Rentenbescheid vom 8. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2016 zu ändern und die WR „ab Rentenbeginn unter Berücksichtigung der Anzahl der Entgeltpunkte zu gewähren, die zuletzt bei der Rentengewährung des verstorbenen Versicherten aufgrund der von dem verstorbenen Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt wurden“. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf höhere WR auch unter Berücksichtigung der seit 1966 bis zum 31. Dezember 1990 von dem Versicherten in Deutschland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten entsprechend des hier anwendbaren und § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI insoweit verdrängenden „Leistungsexportprinzips“. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe dem nicht die Anwendbarkeit des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976 S 396; DPSVA 1975) und das diesem Abkommen innewohnende „Integrationsprinzip“, wie es in Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 zum Ausdruck komme, entgegen. Denn ungeachtet dessen, dass die Klägerin ihren Wohnsitz in Polen auch nach dem 31. Dezember 1990 beibehalten habe, folge aus der Übergangsregelung in Art 27 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen ...

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