Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung eines Gefangenen. Verlegung aus dem Justizkrankenhaus und Haftunterbrechung. Übernahme der Kosten durch das Land. Erstattungsanspruch ggü der Krankenkasse nach § 105 Abs 1 SGB 10. Einhaltung der Ausschlussfrist des § 111 S 1 SGB 10. Zugang der Erklärung über die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ggü dem richtigen Adressaten binnen eines Jahres

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Erstattungsanspruch wegen der nach entsprechender Kostenzusage aufgewandten Kosten für die gesamte stationäre Krankenhausbehandlung eines Inhaftierten infolge der Verlegung aus dem Justizkrankenhaus und angeordneter Haftunterbrechung kommt als Anspruchsgrundlage grundsätzlich § 105 Abs 1 SGB X in Betracht.

2. Die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X setzt den Zugang der Erklärung über die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem richtigen Adressaten binnen eines Jahres voraus, selbst wenn dieser - wie hier die nach § 5 Abs 1 Nr 13a) SGB V verpflichtete Krankenkasse - erst zu ermitteln ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.06.2023; Aktenzeichen B 1 KR 12/22 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Das klagende Land begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung der anteiligen Kosten für eine im Jahr 2010 nach Verlegung aus dem Justizkrankenhaus in ein Krankenhaus der C und angeordneter Haftunterbrechung bei Haftunfähigkeit erfolgte stationäre Krankenbehandlung in Höhe von 157.166,44 € nebst Zinsen.

Der 1962 geborene N (Versicherter) war seit dem 26. August 2010 im Justizvollzug des Landes B(JVA) inhaftiert (Ersatzfreiheitsstrafe, Erzwingungshaft, Untersuchungshaft). Vom 1. August 2007 bis 30. September 2008 war er bei der vormaligen K L, jetzt K (die Beklagte), pflichtversichert. Er wurde am 8. September 2010 stationär vom Justizvollzugskrankenhaus B (JVK), wo er seit dem 25. August 2010 stationär behandelt worden war, in die Infektiologie der C verlegt, weil er im Justizvollzug aufgrund der Schwere der Erkrankung (HIV, Blutkrebs) als nicht mehr behandelbar angesehen wurde. Die Haftunterbrechung wurde für die Zeit ab 15. September 2010 wegen Haftunfähigkeit des Versicherten angeordnet (Beschluss des Amtsgerichts München vom 14. September 2010 - 821 Ds 254 Js 206677/10 -. Dieser befand sich bis zum 12. Dezember 2010 zur stationären Krankenbehandlung durchgängig in einem Krankenhaus der C , wo er am selben Tag verstarb.

Mit Rechnung vom 7. Januar 2011 an das JVK (Eingang: 12. Januar 2011 forderte der Krankenhausträger, die C -, für die Behandlungszeit vom 8. September 2010 bis zum 12. Dezember 2010 Gesamtkosten (insbes. Fallpauschale [Kostenübernahme 100 %] und Zuschläge) in Höhe von 169.668,33 €. Die Rechnung ging bei der Landeshauptkasse am 20. April 2011 ein. Sie wurde am 26. April 2011 in voller Höhe beglichen unter Angabe des Verwendungszwecks „Re. V. 07.01.11“ und der Begründung: „Stationäre Behandlung des Gef. N (JVA ) in der Zeit vom 08.09. bis 12.12.2010“.

Mit einem Schreiben des JVK vom 28. März 2011 an den Krankenhausträger C- Abteilung stationäres Patientenmanagement - wurde mitgeteilt, dass die Justiz ab dem 15. September 2010 nicht mehr Kostenträger gewesen sei, nachdem am 14. September 2010 bei dem Versicherten eine Strafunterbrechung erfolgt sei. Es wurde zugleich um Mitteilung einer zuständigen Krankenkasse oder eines sonstigen Kostenträgers bzw. um eines eventuell zuständigen Sozialamts, eventueller Angehöriger oder sonst sachdienlicher Hinweise gebeten. Eine Reaktion hierauf seitens des Krankenhausträgers erfolgte nicht. Das für Sozialhilfeleistungen zuständige Bezirksamt N habe nach dem Vortrag des Klägers mit einem Bescheid vom 30. August 2011 eine Erstattung abgelehnt.

Einen von der JVA zunächst gegenüber der K mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 wegen eines Teils des Rechnungsbetrages in Höhe von 157.166,44 € erhobenen Erstattungsanspruch lehnte diese am 2. Juli 2012 mit der Begründung ab, der Versicherte habe im Anschluss an das Mitgliedschaftsende bei der K S vom 3. Mai 2004 bis 12. August 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei sodann bei der D krankenversichert gewesen. Diese lehnte einen vom Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 2012 erhobenen Erstattungsanspruch für Krankenhausbehandlung in Höhe von 157.166,44 € mit Schreiben vom 29. Juli 2013 unter Hinweis darauf ab, der Versicherte sei vom 1. August 2007 bis 30. September 2008 aufgrund einer Beschäftigung Mitglied der K in L gewesen.

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 26. September 2013 (Eingang bei dieser am 4. Oktober 2013) einen Erstattungsanspruch in Höhe anteiliger Kosten von 157.166,44 € für Krankenhausbehandlung vom 15. September 2010 bis 12. Dezember 2010 geltend. Aufgrund einer am 14. September 2010 gewährten Straf-unterbrechung sei der Jus...

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