Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 2. Pflegegeld. Grundpflege. Sachverständigengutachten. Nahrungsaufnahme. An- und Ausziehen. Mittagsschlaf. Mobilität
Leitsatz (redaktionell)
Der zeitliche Aufwand für das An- und Ausziehen anlässlich eines Mittagschlafs ist bei der Bestimmung der Pflegestufe nach § 15 SGB XI nicht zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Zur Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 ist erforderlich, dass bei dem Hilfebedürftigen ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt erforderlicher Pflegebedarf von mindestens drei Stunden besteht, wobei mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen.
2. Nach den maßgeblichen Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen werden im Bereich des An- und Auskleidens nur die Vorgänge des Ausziehens von Tageswäsche sowie des Ausziehens von Nachtwäsche erfasst. Beim Mittagsschlaf ist regelmäßig nur eine Teilentkleidung notwendig. Hilfen bei der Mobilität außerhalb der Wohnung sind nur berücksichtigungsfähig, soweit die Aufrechterhaltung der Lebensführung zuhause unumgänglich ist und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig macht. Dies betrifft Arzt- und Therapiebesuche. Hilfebedarf bei Spaziergängen bleibt unberücksichtigt.
Normenkette
SGB XI §§ 14, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2; SGB XII § 14 Abs. 4
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17.09.2010 wird auch insoweit zurückgewiesen, als das Verfahren durch Beschluss des Senats vom 15. September 2011 abgetrennt worden ist.
Kosten sind auch für das weitere Berufungsverfahren im Umfang der Abtrennung nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung eines Pflegegeldes nach der Pflegestufe II für die Zeit ab dem 1. Oktober 2010.
Der 1929 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten und bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau, die seine Pflege übernommen hat, eine 2-Zimmer-Wohnung im 4. Obergeschoss eines mit einem Fahrstuhl ausgestatteten Mehrfamilienhauses.
Der Kläger leidet an einer Osteoarthrose, Presbyakusis bds., einer an Blindheit grenzender Sehbehinderung, chronischen Bronchitis, chronischen Gastritis, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, einer Prostatahypertrophie und gelegentlichem Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen. Zu seinen Gunsten ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “G„, “B„ und “RF„ festgestellt.
Am 25. November 2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte holte das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft A. S vom 16. April 2009 ein, die nach Begutachtung des Klägers in der häuslichen Umgebung eine erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I) feststellte: Der Hilfebedarf betrage wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 94 Minuten (50 Minuten im Bereich der Körperpflege, 8 Minuten im Bereich der Ernährung und 36 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 69 Minuten.
Dem folgend gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2009 ab dem 1. November 2008 Leistungen der Pflegestufe I. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 5. Mai 2009 wies die Beklagte nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Pflegefachkraft A. S vom 7. Juli 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2009 zurück.
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Pflegeleistungen der Pflegestufe II ab Antragstellung im November 2008 weiter. Das Sozialgericht hat den Arzt Dr. S der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangte nach Begutachtung des Klägers in der häuslichen Umgebung in seinem Gutachten vom 13. April 2010 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 94 Minuten (68 Minuten im Bereich der Körperpflege, 9 Minuten im Bereich der Ernährung und 17 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten betrage. Es läge damit zwar eine erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I), nicht jedoch eine Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2010 hat das Sozialgericht Berlin nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Der für die Gewährung der Pflegestufe II erforderliche Pflegeaufwand im Bereich der Grundpflege von mindestens 120 Minuten wöchentlich im Tagesdurchschnitt werde nach den überzeugenden Feststellungen und Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch nicht erreicht.
Gegen den ihm am 1. Oktober 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. Oktober 2010 Berufung zum Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 27 P 72/10 eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Mit Beschluss auf Grund mündlicher Verhandlung vom 15. September 2011 hat der Senat den Rechtsstreit für die ...