Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Anpassung eines Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband. Zulässigkeit der Anfechtungsklage. Rechtsschutzbedürfnis eines pharmazeutischen Unternehmers. Anforderungen an eine Prognoseentscheidung bei einem mehrere Monate zurückliegendem Bewertungsstichtag. Auswirkungen einer eingeschränkten Lieferfähigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage und zur Beschwer eines pharmazeutischen Unternehmers im Klageverfahren gegen einen vom GKV-Spitzenverband festgesetzten Festbetrag für Arzneimittel.
2. Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Anpassung eines Festbetrages für Arzneimittel bei einem zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf von mehreren Monaten zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Wirksamwerden der Festbetragsanpassung einschließlich einer eingeschränkten Lieferfähigkeit des Produkts.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anpassung eines Festbetrags für Arzneimittel.
Die Klägerin ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der (u.a.) Arzneimittel mit dem Wirkstoff “Epoetin alfa „ unter der Bezeichnung “Epoetin alfa Hexal „ und “Binocrit „ auf den Markt bringt. Die genannten Arzneimittel gehören zur Gruppe der Antianämika , für die erstmals am 15. Februar 2005 eine Festbetragsgruppe der Stufe 2 gebildet wurde. Die Festbetragsgruppe wurde durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15. Dezember 2011 (Bundesanzeiger v. 3. Februar 2012, S. 469) neu gefasst (Antianämika , andere, Gruppe 1).
Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 unterrichtete der Beklagte die sachzuständigen Vereinigungen, Kommissionen und Verbände darüber, dass er entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag den Festbetragsmarkt überprüft habe und beabsichtige, mit Wirkung ab 1. Juli 2012 in 14 Festbetragsgruppen, darunter auch die der “Antianämika , andere, Gruppe 1„, die Festbeträge auf Grund von Marktdynamik abzusenken. Beigefügt waren Vorschläge für die Höhe der neu festzusetzenden Beträge. Der Beklagte forderte zur Stellungnahme bis spätestens 12. März 2012 auf. Er wies darauf hin, dass Datengrundlage für die Ermittlung der Festbetragsvorschläge der Preis- und Produktstand vom 1. Januar 2012 und die Verordnungsdaten nach § 84 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - aus dem Jahre 2010 seien. Die Einleitung des Stellungnahmeverfahrens wurde zusätzlich im Bundesanzeiger Nr. 25 vom 14. Februar 2012 veröffentlicht. Die Klägerin sprach sich im Rahmen der Anhörung durch Schreiben vom 7. März 2012 gegen die beabsichtige Anpassung der Festbeträge für “Antianämika , andere, Gruppe 1„ aus.
Mit Schreiben vom 26. März 2012 informierte die Firma R P AG die Fachöffentlichkeit darüber, dass das von ihr hergestellte Arzneimittel Mircera , das ebenfalls zur Gruppe der Antanämika gehörte, demnächst in allen Stärken nicht mehr verfügbar sein werde. Die Verfügbarkeit von Mircera war nach der Einschätzung der Beklagten aber ein wesentlicher Umstand für die geplante Absenkung des Festbetrages für die Gruppe “Antanämika , andere Gruppe 1„. Deswegen stellte der Beklagte durch Beschluss vom 10. Mai 2012 die Fassung eines Beschlusses zur Anpassung des Festbetrags in der Festbetragsgruppe “Antianämika , andere, Gruppe 1„ zurück, “bis die Lieferfähigkeit der Fa. R wieder hergestellt ist„.
Am 1. Oktober 2012 teilte die Firma R P AG dem Beklagten mit, dass die Lieferfähigkeit für Mircera wieder uneingeschränkt hergestellt sei. Die Fachöffentlichkeit sei darüber bereits mit Schreiben vom 31. August 2012 informiert worden. Daraufhin beschloss der Beklagte am 8. Oktober 2012 auf der Grundlage der ursprünglich für eine Beschlussfassung im Juli 2012 aufbereiteten Daten, die Festbeträge für die Festbetragsgruppe “Antianämika , andere, Gruppe 1, abzusenken. Der Beschluss wurde auf der Grundlage von Daten gefasst, welche auf den im Jahre 2010 erfolgten Verordnungen beruhten, obwohl mittlerweile bereits die Verordnungsdaten für das Jahr 2011 vorlagen. Er wurde am 17. Oktober 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht und trat am 1. Dezember 2012 in Kraft.
Gegen den Beschluss vom 8. Oktober 2012 hat die Klägerin am 19. November 2012 (Montag) Anfechtungsklage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Sie trägt vor, dass die Absenkung der Festbeträge für sie einen Verlust von 173.339,- € bedeute. Berücksichtige man das tatsächliche Verordnungsverhalten der Ärzte, die auf Generika nur bei einem erheblichen Preisunterschied auswichen, ergebe sich ein wirtschaftlicher Verlust sogar in jährlicher Höhe von 1.407.098,- €, da sie - die Klägerin - ihre Preise auf 10 % unterhalb des Festbetragsniveaus senken müsste.
Die angegriffene Festbetragsfestsetzung sei offensichtlich rechtswidrig. Die Einhaltung der engmaschigen rechtlichen Vorgaben des § 35 SGB V sei nach der Rechtsprechu...