Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Voraussetzung der Zuerkennung eines Merkzeichens „aG”. Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung für die Gewährung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen im Land Brandenburg
Orientierungssatz
1. Soweit sich ein als Schwerbehinderter anerkannter Betroffener nach Verlassen des Kraftfahrzeugs noch selbständig ohne fremde Hilfe oder besondere Anstrengung fortbewegen kann, kommt ein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „aG” für außergewöhnliche Gehbehinderung nicht in Betracht.
2. Jedenfalls im Land Brandenburg besteht kein einklagbarer Anspruch eines Betroffenen gegen die Sozialbehörden auf Erteilung einer Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde, welche die Zugehörigkeit zur Gruppe der berechtigten Personen für eine Parkerleichterung für schwerbehinderte Menschen feststellt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. November 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG und über die Erteilung einer Bescheinigung für die Gewährung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen im Land Brandenburg.
Der im Jahre 1942 geborene Kläger leidet insbesondere an den Folgen einer Kinderlähmung.
Am 10. Juli 2009 erteilte der Beklagte dem Kläger einen Bescheid, in dem er die Zuerkennung des Merkzeichens aG ablehnte. Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2010 den Widerspruch zurück. Die Bescheide äußerten sich nicht im Hinblick auf Fragen der Parkerleichterung.
Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Potsdam hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung am 29. August 2011 der Facharzt für Chirurgie Dr. T ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin schätze er den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers weiterhin auf 80 ein und verneinte die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens aG.
Mit Urteil vom 10. November 2011 hat das Sozialgericht insgesamt die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Merkzeichens aG sei sie unbegründet, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Hinsichtlich der Gewährung der Parkerleichterung sei sie unzulässig, weil insoweit der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten sei.
Im anschließenden Berufungsverfahren verfolgt der Kläger seine Ziele weiter. Am 27. März 2012 hat der Vorsitzende des Senats den Beteiligten den Hinweis erteilt, dass das Rechtsschutzbegehren, soweit es sich auf die Parkerleichterung beziehe, darauf gerichtet sein könnte, eine entsprechende Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde zu erhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. November 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 10. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2010 zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ab Antragstellung festzustellen, und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde über die Gewährung einer Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen im Land Brandenburg zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ein selbständig einklagbarer Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde bestehe nicht, weil der Beklagte insoweit nur im Wege der Amtshilfe tätig werde.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht hat der Senat von Amts wegen zwei weitere medizinische Sachverständigengutachten eingeholt. So hat zunächst der Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. S am 14. Juni 2013 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und darin die Voraussetzungen des Merkzeichens aG verneint. Sodann ist - mit veränderter Fragestellung, die auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugeschnitten war - der Facharzt für Orthopädie Dr. A mit der Erstattung eines weiteren Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 4. Februar 2015 ebenfalls die medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG verneint.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jedoch in der Sache nicht begründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens aG noch auf Erteilung einer Bes...