Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Feststellung / Verneinung einer posttraumatischen Belastungsstörung als psychischer Unfallfolge unter Verwendung des Diagnosesystems ICD der WHO und der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen
Orientierungssatz
1. Zur Feststellung der psychischen Folgen eines Raubüberfalls während der beruflichen Tätigkeit als konkrete Gesundheitsstörung, Krankheit und Unfallfolge sowie als Voraussetzung einer Unfallrente nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2 und 56 SGB 7 müssen die konkreten Gesundheitsstörungen auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen nachvollziehbar begründet werden. Dafür kommt insbesondere die internationale Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO in Betracht. Für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist dies ICD-10 F43.1.
2. Die Angestellte in einer Kaufhalle, der durch zwei Räuber ein Rohr oder eine Pistole ins Gewicht gehalten wurde mit der Aufforderung, den Tresor zu öffnen, zwar das sogenannte A-Kriterium bzw. Traumakriterium für eine PTBS nach ICD-10 F43.1 einer außergewöhnlichen Bedrohung erfüllen, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
3. Zusätzlich sind jedoch weitere Kriterien erforderlich: Das B-Kriterium erfordert, dass das Trauma typischerweise wiederholt erlebt wird durch Nachhallerinnerungen, Alpträume und Schreckhaftigkeit. Nach dem C-Kriterium muss dem Trauma ein auf dieses bezogenes spezifisches Vermeidungsverhalten folgen. Das D-Kriterium erfordert schließlich gewisse vegetative Störungen. Lassen sich diese weiteren Folgen nicht feststellen, so liegt keine posttraumatische Belastungsstörung vor.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. September 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die 1952 geborene Klägerin war als Marktleiter seit 1994 in der Kaufhalle D GmbH beschäftigt. Am 15. August 2002 brach sie sich bei einem Privatunfall (Abrutschen von einer Stufe ihrer häuslichen Treppe) das rechte Sprunggelenk, welches mehrfach operativ behandelt wurde (vgl. Berichte der KMG-Kliniken K - Chirurgische Klinik - Chefarzt Dr. G vom 03. September 2002, 17. Januar und 28. März 2003; MRT-Befund und Behandlungsbericht des Chirurgen Dr. K vom 09. April 2003).
Während ihrer Tätigkeit nach dem Hamburger Modell wurde am 05. Mai 2003 die Kaufhalle in D von einer rumänischen Räuberbande überfallen. Ausweislich des Durchgangsarzt (DA)-Berichts des Facharztes für Chirurgie Dr. G vom 07. Mai 2003 wurde die Klägerin am Tag des Überfalls unter Schock stehend eingeliefert. Es bestanden Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk, der Unterschenkel war geschwollen und die Mobilität endgradig schmerzhaft, die Klägerin konnte nicht auftreten. Die Röntgenuntersuchung ergab keinen Anhalt für eine frische knöcherne Läsion. Dr. G diagnostizierte eine Sprunggelenkskontusion rechts. Die Klägerin wurde am 16. Juni 2003 als arbeitsfähig aus der Behandlung entlassen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus unter 10 v. H. (Mitteilung des Durchgangsarztes vom 24. Juni 2003).
Im Rahmen einer von der Beklagten angebotenen psychotherapeutischen Betreuung begab sich die Klägerin zu der psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. M Nach ihren dortigen Angaben, die denjenigen ihrer Zeugenvernehmung am 27. Mai 2003 bei der Polizei in Kyritz entsprachen, seien drei maskierte Personen in die Kaufhalle eingedrungen. Sie habe im Nebenraum telefoniert und sei durch grelle Schreie aus der Kaufhalle erschreckt worden. Dort habe sie einen maskierten Mann mit einem Kuhfuß an der Kasse gesehen. Dann sei sie selbst geschubst, geschlagen, mit dem Kopf auf den Fußboden gedrückt und gegen den rechten Fuß getreten worden, habe einen Pistolenlauf (bzw. etwas Rohrähnliches) im Nacken gespürt und die Drohung gehört: “Wo ist Tresor - sonst machen dir tot!„. Bei dem Überfall habe sie körperliche Verletzungen erlitten und Todesangst gehabt. Sie leide unter wiederkehrenden belastenden Bildern, Gedanken, Gefühlen und Zukunftsängsten. Bis zum Trauma sei alles normal gewesen.
Frau Dipl.-Psych. M stellte im Befundbericht (BB) vom 17. Juli 2003 die vorläufige Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). In der Folgezeit kam es, unterbrochen durch Rückschläge in Form von Labilisierung und Existenzängsten dann doch zu einer psychischen Stabilisierung, so dass Frau M die Klägerin aus psychischer Sicht wieder als arbeitsfähig erachtete (BB vom 10. November 2003).
Allerdings traten nun die Probleme mit dem rechten Sprunggelenk in den Vordergrund. Am 30. Oktober 2003A erfolgte eine weitere Arthroskopie sowie die Materialentfernung (vgl. Entlassungsbericht der Charité C-Klinikum vo...