Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Individualanspruch. Bedarfsgemeinschaft. Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Inhalts-Adressat. subjektive Klagehäufung. Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft. nichtrechtsfähige Personenvereinigung. Angemessenheit der Unterkunftskosten. selbst genutztes Hausgrundstück. Verfassungsmäßigkeit von § 9 Abs 2 S 3 SGB 2
Orientierungssatz
1. Bei den Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB 2 handelt es sich um Individualansprüche. Über den klaren Wortlaut des § 7 SGB 2 hinaus erweist sich die vom Einzelanspruch ausgehende Strukturierung der Grundsicherungsleistungen bei Bedarfsgemeinschaften in dem Umstand, dass Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft unterschiedliche Ansprüche zustehen können sowie in der Regelung über die Aufteilung des ungedeckten Bedarfs einer Bedarfsgemeinschaft und über die Vermutung der Bevollmächtigung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Antragstellung und Entgegennahme von Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft (§ 38 SGB 2). Diese Bestimmungen wären überflüssig, gäbe es einen "Anspruch der Bedarfsgemeinschaft".
2. Ist der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach SGB 2 nur einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in seiner Eigenschaft als vermuteter Vertreter der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft (§ 38 SGB 2) nach § 37 Abs 1 S 2 SGB 10 bekanntgegeben worden, ist aber dem Bescheid noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft Inhalts-Adressaten der darin verlautbarten Verwaltungsakte sind, so handelt es sich in der Sache um eine als solche erkennbare Zusammenfassung mehrerer an verschiedene Personen gerichteter Verwaltungsakte in einem Bescheid.
3. Der Umstand, dass äußerlich eindeutig - auch in den Klageanträgen - nur der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft als Beteiligter bezeichnet wurde, hindert nicht die am erkennbaren Willen orientierte Auslegung dahingehend, dass mit der Klage die Einzelansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - soweit sie abgelehnt worden sind - verfolgt werden sollten. Wenn insoweit die subjektive Klagehäufung bereits bei Klageerhebung bestand, liegt keine an den Grundsätzen des § 99 SGG zu messende Klageänderung vor.
4. Bei einer Arbeitsgemeinschaft, die nach § 44b SGB 2 durch öffentlichen Vertrag gegründet wurde und keine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts ist, kann die Beteiligtenfähigkeit aus § 70 Nr 2 SGG hergeleitet werden.
5. Da in § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 auf die Angemessenheit der Kosten, nicht aber auf die Angemessenheit der Unterkunft abgestellt wird und die Kosten zu erbringen sind, "soweit" sie angemessen sind, schuldet der Leistungsträger immer die angemessenen Aufwendungen, er wird nicht von seiner (ggf begrenzten) Leistungspflicht frei, wenn die Wohnverhältnisse (nach welchem Maßstab auch immer) als unangemessen zu beurteilen wären. Die Begrenzung wird mittels des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit vorgenommen, dessen Auslegung ohne Einschränkung die Gerichte vornehmen.
6. Welche Aufwendungen zu den nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigungsfähigen tatsächlichen Kosten zählen, hängt davon ab, wie der Wohnbedarf gedeckt wird. Wird eine Mietwohnung genutzt, sind neben der reinen Miete (Grund- oder Kaltmiete) die üblichen Nebenkosten, dh die Betriebskosten, die der Vermieter von Gesetzes wegen in Ansatz bringen darf umfasst, soweit sie nicht von der Regelleistung abgedeckt sind. Wird ein Eigenheim bewohnt, bedarf dieser für das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter entwickelte Maßstab der Anpassung; die übliche Formulierung geht dahin, dass zu den Unterkunftskosten die Aufwendungen zählen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Zur näheren Bestimmung ist auf § 7 Abs 2 BSHG§76DV Bezug zu nehmen, die für den Bereich des SGB 12 regelt, welche notwendigen Ausgaben bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgesetzt werden können.
7. Zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung eines Eigenheims zählen gem § 7 Abs 2 S 1 Nr 1 BSHG§76DV auch Zinsen für ein Immobiliendarlehen und gem § 7 Abs 2 S 1 Nr 4 BSHG§76DV die Instandhaltungspauschale für das Eigenheim.
8. Die Prüfung der Angemessenheit ist in der Weise vorzunehmen, dass die tatsächlich anfallenden berücksichtigungsfähigen Aufwendungen im Einzelnen daraufhin untersucht werden, ob sie angemessen sind, insbesondere, ob sie überhaupt und ihrem Umfang nach erforderlich sind, ob sie wirtschaftlich und sparsam getätigt werden und insgesamt betrachtet verhältnismäßig in Ansehung des Zwecks sind, eine adäquate Versorgung des Grundsicherungsberechtigten mit Wohnraum zu gewährleisten. Der Vorgehensweise der Beklagten, im Falle eines selbst genutzten Eigenheims die Begrenzung auf die angemessenen Kosten in der Weise vorzunehmen, dass die angemessenen Kosten einer der Größe nach für angemessen erachteten Mietwohnung ermittelt und als Grenzbetrag angesetzt werden, folgt der Senat damit nicht. Dies gi...