Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen RF. Anspruch auf Feststellung. gesundheitliche Voraussetzungen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF besteht trotz vereinzelt abweichender Rechtsprechung weiter.

 

Orientierungssatz

Zu den gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens RF.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen “RF„).

Bei dem 1944 geborenen Kläger hatte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 06. September 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen folgender Behinderungen (deren verwaltungsinterne Einzel-GdB - Bewertung sich aus dem Klammerzusatz ergibt):

Alkoholkrankheit, hirnorganisches Psychosyndrom, Angststörung, symptomatisches Anfallsleiden (Einzel-GdB 60)

Zustand nach Lendenwirbelkörper-Fraktur, Fehlstatik der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20)

Kniegelenksverschleiß beidseits, Kniescheibenmangelbildung, Sprunggelenksfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)

Omarthrose, Schulter-Arm-Syndrom, Ellenbogengelenkarthrose (Einzel-GdB 20)

Tinnitus (Einzel-GdB 20) und

Leberschaden (Einzel-GdB 10)

anerkannt. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens “RF„ lehnte er ab.

Mit seinem Neufeststellungsantrag vom 27. Juli 2005 machte der Kläger geltend, unter ständigem Pfeifen und Rauschen im linken Ohr zu leiden. Er habe Platzangst und Angst vor Menschenansammlungen.

Der Beklagte holte Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin K. vom 25. August 2005, der Ärztin für Augenheilkunde E vom 30. August 2005 und der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. G vom 19. September 2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2005 einen GdB von 80 fest. Dabei erkannte er neben dem Tinnitus auch eine Schwerhörigkeit an und bewertete das Ohrenleiden mit einem Einzel-GdB von 20. Weiter stellte er neu als Behinderungen

einen Diabetes mellitus mit Polyneuropathie (Einzel-GdB 20)

eine Lungenfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)

einen Bluthochdruck (Einzel-GdB 10) und

eine Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10)

fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “RF„ sah er weiterhin nicht als erfüllt an. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Attest der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 3. Dezember 2005 vor, aus dem hervorgeht, er habe berichtet, infolge seiner Ängste und nach einer Traumatisierung durch den Eindruck, in dem Einkaufszentrum, in dem er sich befand, sei eine Bombe abgelegt worden, eine soziale Phobie entwickelt zu haben. Medikamente hätten keinen positiven Effekt auf die Störung gehabt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006zurück.

Am 23. Februar 2006 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und weiterhin das Merkzeichen “RF„ begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. G vom 02. Mai 2006 und von der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 18. Juni 2006 eingeholt, die angegeben hat, dass der Kläger wegen der fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit in eine Behandlung seine psychischen Beeinträchtigungen nicht los werde. Sie würden sich gegebenenfalls noch ausweiten, so dass er unter Umständen seine Wohnung nicht mehr verlassen könne.

Durch Urteil vom 16. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, selbst wenn man von einer hinreichenden geltenden Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens “RF„ ausgehe, erfülle der Kläger die Voraussetzungen hierfür nach Nr. 33 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Anhaltspunkte) in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften nicht. Erfasst würden nur Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Die - im Einzelnen aufgeführten- behinderten Menschen müssten allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Glaubhaft sei, dass der Kläger am öffentlichen Leben nur in eingeschränktem Umfang teilnehmen könne. Zwar schildere der Kläger sich selbst als äußerst geräuschempfindlichen Menschen, dessen Teilnahme an Veranstaltungen völlig ausgeschlossen sei. Dieses Vorbringen werde aber nicht durch Befundberichte gestützt. Die behandelnde Nervenärztin habe eindeutig eine für die Zukunft bestehende Gefahr, nicht aber einen von ihr festgestellten Zustand angezeigt, die behandelnde HNO-Ärztin habe eine besondere Geräuschempfindlichkeit nicht bestätigt. Die Voraussetzungen des Merkzeichens seien nur dann erfüllt, wenn dem schwerbehinderten Me...

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