Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei notfallmäßiger Aufnahme des Versicherten
Orientierungssatz
1. Der Versicherte ist nicht verpflichtet, vorrangig den organisierten Notfalldienst der Kassenärztlichen Vereinigung in Anspruch zu nehmen. Nach § 76 Abs. 1 S. 2 SGB 5 ist er berechtigt, in der besonderen Situation eines Notfalls auch Krankenhäuser zur Realisierung seines Sachleistungsanspruchs in Anspruch zu nehmen.
2. Voraussetzung für die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung von Notfallbehandlungen im Krankenhaus ist, dass es sich um einen Notfall gehandelt hat und keine über die Notfallversorgung hinausgehende Behandlung vorgenommen worden ist.
3. Aufgenommen worden in ein Krankenhaus ist ein Patient erst dann, wenn er das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses in Anspruch nimmt. Dokumentiert wird dies u. a. durch die Zuweisung eines Bettes (Urteil des BSG vom 19. 9. 2013, B 3 KR 34/12 R).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Juni 2016 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Honorarbescheides vom 26. Juli 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2014 und der Bescheide vom 14. Juli 2016 und 30. August 2016 sowie des Anerkenntnisses vom 12. März 2020 verpflichtet, über das Honorar der Klägerin für das III. Quartal 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine von der beklagten kassenärztlichen Vereinigung vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung betreffend Behandlungsleistungen, die im Quartal III/2010 in der Notfallambulanz eines Krankenhauses erbracht worden sind.
Die Klägerin betreibt das S K B, dem eine Notfallambulanz („Rettungsstelle“) angegliedert war. Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 26. Juli 2012 das Honorar für das Quartal III/2010 unter sachlich-rechnerischer Richtigstellung auf 106.548,13 Euro fest. Der Bescheid nahm Bezug auf eine Anlage (Liste P 123) in der „sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 45 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 EKV“ vorgenommen waren. Der Bescheid verwies darauf, dass 62 Behandlungsscheine sachlich-rechnerisch richtig zu stellen seien, weil Patienten unmittelbar im Anschluss an die Notfallbehandlung in demselben bzw. in einem anderen Krankenhaus stationär aufgenommen worden seien. In 25 Fällen seien die Patienten im Anschluss an die Behandlung in demselben Krankenhaus stationär aufgenommen worden, in 36 Fällen in einem anderen Krankenhaus und in einem Fall in einem Krankenhaus.
Die Klägerin erhob dagegen hiergegen am 29. Mai 2012 Widerspruch. Tatsächlich habe die Beklagte in 63 Fällen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen. Mit Ausnahme von 10 unstreitigen Behandlungsfällen sei die sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Unrecht erfolgt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2014 zurück. Für die Abgrenzung der Leistungen der stationären Versorgung von denen der ambulanten Versorgung bezog sie sich auf das Urteil des erkennenden Senats v. 12. März 2010 - L 24 KA 1017/05, wonach eine einheitliche stationäre Behandlung immer vorliege, wenn auf eine Notfallbehandlung eine stationäre Aufnahme erfolge. In sieben von der Klägerin beanstandeten Fällen sei diese tatsächlich nicht beschwert.
Gegen den Widerspruchsbescheid richtet sich die am 29. Januar 2014 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 8. Juni 2016 den Honorarbescheid vom 26. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2014 aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Nach einem für 10 Behandlungsfälle erklärten und angenommenen Teilanerkenntnis sowie nach teilweiser Klagerücknahme seien noch 34 Behandlungsfälle streitig. In 30 von diesen Fällen habe die Beklagten mit Recht eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen, da jeweils von einem einheitlichen Behandlungsfall in Bezug auf eine nachfolgende stationäre Aufnahme auszugehen gewesen sei. Dagegen liege in vier Behandlungsfällen eine abgeschlossene Notfallbehandlung vor, so dass ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte bestehe. Grundlage eines Vergütungsanspruchs sei vorliegend allein § 76 Abs.1 Satz 2 SGB V. Krankenhäuser dürften nur in diesem Rahmen ambulante Behandlungen vornehmen. Ausgeschlossen sei eine Vergütung solcher Leistungen unter den Gesichtspunkt eines einheitlichen Behandlungsfalls aber, wenn sich ihnen eine stationäre Aufnahme anschließe. Der Begriff des einheitlichen Behandlungsfalles ergebe sich im Wesentlichen aus der Rechtsprechung der für die Krankenversicherung zuständigen Senate des BSG. Deren Entscheidungen seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, böten jedoch einen Ansatz für Begrifflichkeiten. Unter anderem ergebe sich aus dem Urteil de...