Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung des Schiedsspruchs eines Landesschiedsamtes wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität
Orientierungssatz
1. Die Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages zwischen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen durch ein Schiedsamt stellt einen Verwaltungsakt dar, den die Vertragspartner im Klageweg angreifen können.
2. Dem Schiedsamt kommt bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dementsprechend ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Entscheidung des Schiedsamtes ermittelte Tatsachen zugrunde gelegt worden sind und ob es sein Gestaltungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. U. a. fällt in die Überprüfung, ob das Schiedsamt bei der festgesetzten Vergütung (zahn)ärztlicher Leistungen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität beachtet hat.
3. Dieser Grundsatz ist u. a. dann verletzt, wenn das Schiedsamt den Punktwert für bestimmte (zahn)ärztliche Leistungen über die Veränderungsrate gemäß § 71 Abs. 3 SGB 5 hinaus erhöht.
4. Das Landessozialgericht ist erstinstanzlich zuständig, wenn sich die Klage gegen eine Entscheidung eines Landesschiedsamtes richtet. Hat das Landesschiedsamt eine Punktwertsteigerung festgesetzt, die über die Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB 5 hinausgehrt, so führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs und zur Verpflichtung, über den Schiedsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Tenor
Nummer 1 des Schiedsspruchs des Beklagten vom 17. Oktober 2008 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Schiedsantrag der Beigeladenen insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte vier Fünftel und der Kläger ein Fünftel. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich als Prozessstandschafter für die Ersatzkassen gegen den Schiedsspruch des Beklagten vom 17. Oktober 2008, mit dem die Punktwerte für vertragszahnärztliche Leistungen im Jahr 2008 um 1,5 Prozent erhöht wurden.
Zwischen den Ersatzkassen und der Beigeladenen fanden am 21. Mai 2008 Verhandlungen über die Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 statt. Die Vertragspartner vereinbarten folgende höchstzulässigen Ausgabevolumen je Mitglied: BEMA-Teile 1 (ohne IP und FU), 2 und 4 für die Ersatzkassen BARMER, DAK, TK, KKH, HEK, Hamburg Münchener und hkk 138,48 Euro und für die GEK 130,35 Euro. Hierbei orientierten sie sich an der für das Kalenderjahr 2008 maßgeblichen Veränderungsrate im gesamten Bundesgebiet von plus 0,64 Prozent. Hinsichtlich der streitigen Punktwerte für die genannten Bereiche sowie für zahnärztliche Gutachten und Individualprophylaxe/Frühuntersuchung erstrebte die Beigeladene eine Erhöhung über die Veränderungsrate hinaus, da die Kosten in den Zahnarztpraxen wegen höherer Hygienekosten und weiterer Betriebsausgaben gestiegen und weil die Punktwerte im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich seien. Nachdem die Ersatzkassen dies abgelehnt hatten, erklärte die Beigeladene die Verhandlungen mit Schreiben vom 21. Mai 2008 für gescheitert.
Mit Schreiben vom selben Tage rief die Beigeladene das Landesschiedsamt Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung an und beantragte, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für
1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent),
2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent)
3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,89 Euro (Punktwert 2007: 0,85 Euro; gewünschte Steigerung: 4,71 Prozent)
festzusetzen. Diese Vergütungsanpassung sei unter Berücksichtigung der drastisch gestiegenen Praxiskosten notwendig und auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität angemessen.
Die Ersatzkassen als Antragsgegnerinnen beantragten, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für
1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,7806 Euro,
2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,7806 Euro
3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,8554 Euro
festzusetzen.
Zur Begründung führten sie dabei im Wesentlichen an, aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 2000, B KA 6 20/99 R; U...