Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einreise eines Ausländers um Sozialhilfe zu erlangen. finaler Zusammenhang zwischen Einreiseentschluss und Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Beweislast
Orientierungssatz
Ausländer, die nach Deutschland eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, haben nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe muss ein finaler Zusammenhang gegeben sein. Das Motiv, Sozialhilfe zu erlangen, muss für den Ausländer neben anderen Einreisegründen so wichtig gewesen sein, dass er ansonsten nicht eingereist wäre. Die materielle Beweislast hierfür hat zunächst der Träger der Sozialhilfe.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - an die Klägerin im Zeitraum vom 01. Juli 2005 bis 30. Juni 2006.
Die 1940 in L (L) geborene Klägerin, die polnische Staatsangehörige ist, hält sich jedenfalls seit dem 26. November 2004 in der Bundesrepublik Deutschland auf und lebt bei ihrer Tochter und deren 1997 geborenem Sohn. Die Klägerin ist mit Bescheid der Gemeinde B vom 26. Mai 2003 in Polen seit 1999 als Behinderte “mit beträchtlichem Grad„ anerkannt. In der Übersetzung der “Entscheidung über den Behinderungsgrad„ auf der Sitzung vom 26. Mai 2003 heißt es unter Ziffer 7: “Notwendigkeit der ständigen oder langfristigen Betreuung oder Hilfe einer anderen Person im Bezug auf die beträchtliche Begrenzung zur Führung einer selbständigen Existenz„ - “bedürft„, unter Ziffer 6 “Gebrauch machen von der Unterstützung des Milieu in der selbständigen Existenz„ heißt es: “gem. der Anordnung des Behandlungsarztes„. Die Klägerin ist ferner im Besitz eines polnischen Versicherungsausweises der Rentner vom 20. Juni 2003, der den Zusatz enthält “Die Erwähnte ist dauerarbeitsunfähig sowie unfähig zu einer selbständigen Existenz„. Die Klägerin ist im Besitz einer Bescheinigung vom 25. Mai 2005 über ein Aufenthaltsrecht gem. § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU.
Zum Zeitpunkt der Einreise der Klägerin nach Deutschland im November 2004 verfügte deren Tochter über ein monatliches Einkommen in Höhe von 1 400,25 €, das sich zusammensetzte aus dem Nettoverdienst von 1 076,25 € aus einer vom 15. September 2004 bis zum 31. August 2005 befristeten Beschäftigung mit einer Probezeit bis zum 14. März 2005, Kindergeld von 154,00 € sowie Unterhaltsvorschuss für den Sohn in Höhe von 170,00 €. Die Tochter hatte monatlich eine Bruttowarmmiete in Höhe von 608,00 € zu zahlen. Die Klägerin selbst bezog bei ihrer Einreise eine Rente aus Polen in Höhe von 688,66 Polnischer Złoty (PLN) und eine Pflegebeihilfe in Höhe von 141,70 PLN (zusammen: 830,36 PLN), unter Zugrundelegung des Wechselkurses im Januar 2006 (Ankaufspreis 1,00 € = 3,83 PLN) zusammen umgerechnet zirka 193,70 €. Im Jahr 2004 betrug das Mindestgehalt in Polen, das von einer aus Vertretern von Regierung, Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammengesetzten Kommission periodisch neu festgelegt wird, 824 PLN (Quelle internet http://www.polish-online.com).
Am 19. Juli 2005 stellte die Klägerin, vertreten durch ihre Tochter, bei dem Beklagten einen Antrag auf Grundsicherung nach dem SGB XII. Hierbei gab die Tochter an, dass die Klägerin bisher von ihr unterstützt worden sei. Nunmehr werde sie, die Tochter, arbeitslos und könne diese Unterstützung nicht mehr leisten. Die Klägerin habe noch eine Wohnung in Polen gemietet, für die sie 360,00 PLN zahle, zirka 70,00 €. Die Miete werde an den Hausmeister in bar bezahlt, wenn die Klägerin in Polen sei. Die Tochter der Klägerin legte bei der Antragstellung u. a. einen Kontoauszug ihres eigenen Kontos vom 18. Juli 2005 vor, der trotz Eingang der Lohnzahlung für den Monat Juni 2005 ein Sollsaldo von 5 903,19 € aufweist.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte der Beklagte es ab, der Klägerin Sozialhilfe zu gewähren. Gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII hätten Ausländer, die eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Klägerin sei seit November 2004 polizeilich bei ihrer Tochter gemeldet. Sie bewohne dort nach der Erklärung ihrer Tochter ein Zimmer und sei bis jetzt voll von der Tochter unterstützt worden. Sie erhalte eine polnische Rente, die auf ihr polnisches Konto überwiesen werden. In Deutschland unterhalte sie kein eigenes Konto. Sie unterhalte in Polen auch noch nach acht Monaten eine Wohnung zur Miete. Die Mietzahlungen erfolgten dort, nach Erklärung ihrer Tochter, beim Hauswart in bar, wenn sie in Polen weile. Bei ihren Aufenthalten in Polen hebe sie auch das Geld von ihrem polnischen Konto ab. Die im Antrag gemachten Angaben zusammen mit den von der Tochter gemachten Erklärungen ließen, auch unter Würdigung der speziellen persönlichen Verhäl...