Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhter Pflegebedarf in der Grundpflege durch Notwendigkeit der Beaufsichtigung bei einem Kind. Blutgerinnungsstörung. Immundefekt. Kind. Pflegestufe 2
Orientierungssatz
1. Die Beaufsichtigung der in § 14 Abs. 4 SGB 11 aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege ist nach Abs. 3 vom Gesetzgeber ausdrücklich als Pflegeleistung in den Leistungsumfang einbezogen worden. Insbesondere besteht bei pflegebedürftigen Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein entsprechender Aufsichtsbedarf in Form von Aufsichtsleistungen, soweit nicht unmittelbare Hilfeleistung erforderlich ist.
2. Grundsätzlich ist die Behandlungspflege der Krankenversicherung zuzuordnen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind aber dann Bestandteil einer Pflegeverrichtung, wenn sie mit ihr untrennbar verbunden sind. Sie sind bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch dann zu berücksichtigen, wenn der Hilfebedarf zu Leistungen nach dem SGB 5 führt.
3. Ein erhöhter Bedarf für die Mundhygiene besteht dann, wenn das Zähneputzen häufige Blutungen aus den Schleimhäuten des Mundraumes auslöst. In einem solchen Fall besteht ein erhöhter, nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB 11 zu berücksichtigender Aufwand für die Mundhygiene.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe II ab 3. Juli 2003 bis zum 4. Januar 2007.
Die 1993 geborene Klägerin leidet - wie auch ihre Zwillingsschwester - seit ihrer Geburt an einem Immundefekt mit Blutgerinnungsstörung (Monosomie 7, Thrombozytopathie Glanzmann, Granulozytenfunktionstörung). Nach mehreren Kieferoperationen und der Entfernung mehrerer Zähne trägt die Klägerin eine Teilprothese. Die Beklagte gewährt der Klägerin Pflegegeld bei Pflegestufe I seit 5. Januar 1999 aufgrund des durch die Beteiligten angenommenen Vergleichsvorschlages des Berichterstatters des 17. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Juli 2000 im Verfahren L 17 P 39/99.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2003 beantragte die Klägerin Pflegegeld nach einer höheren Pflegestufe. Die Beklagte holte das Gutachten vom 15. September 2003 durch die MDK-Gutachterin C B ein. Sie lehnte mit Bescheid vom 12. November 2003 den Antrag ab. Nach dem Gutachten des MDK seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe II derzeit nicht gegeben. Die Gutachterin habe einen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 100 Minuten festgestellt. Der Hilfebedarf der hauswirtschaftlichen Versorgung sei unstrittig, aber nicht leistungsauslösend. Es bestehe kein Pflegebedarf in der Nacht.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 zurück. Bei der Klägerin sei im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ein Mehrbedarf von insgesamt 65 Minuten pro Tag im Bereich der Grundpflege festgestellt worden, auch ein hauswirtschaftlicher Mehrbedarf sei ermittelt worden. Für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit sei jedoch allein entscheidend, inwieweit die maßgeblichen Verrichtungen des täglichen Lebens nicht selbstständig ausgeführt werden können. Beim Stillen von Blutungen handele es sich zweifelsfrei um behandlungspflegerische Tätigkeiten und nicht um Maßnahmen zur Unterstützung der Klägerin nach § 14 Abs 4 SGB XI. Mindestens 120 Minuten Grundpflege pro Tag würden bei der Klägerin nicht erreicht, so dass es bei der Einstufung in die Pflegestufe I verbleibe.
Auf die Klage hat das Sozialgericht das allgemeinmedizinische Gutachten der Sachverständigen Dr. B vom 6. Juni 2005 und die ergänzende Stellungnahme vom 15. September 2005 eingeholt. Es hat der Klage mit Urteil vom 25. Januar 2007 stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung von Pflegegeld bei Pflegestufe II ab 3. Juli 2003 verurteilt. Bei der Klägerin liege Schwerpflegebedürftigkeit vor. Im Bereich der Grundpflege errechne sich ein Gesamthilfebedarf von mindestens 157 Minuten aus dem zeitlichen Hilfebedarf für folgende Verrichtungen: Baden - 9 Minuten, Waschen (Hände, Gesicht) - 8 Minuten, Zahnpflege einschließlich Mundspülung - 15 Minuten zuzüglich Behandlung mit Zahnseide - 20 Minuten, Blutstillen nach Mundhygiene - 24 Minuten, Kämmen - 6 Minuten, Nahrungsaufnahme - 21 Minuten, Aufstehen und Zubettgehen - 8 Minuten, Transfer (Badewanne) - 1 Minute, Mobilität - 46 Minuten. Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs komme es nicht allein auf die reine medizinische Notwendigkeit an; es sei auch zu berücksichtigen, inwieweit bestimmte Verrichtungen der Körperhygiene täglich üblicherweise als erforderlich angesehen würden. Das Blutstillen im Mund nach der Zahnpflege stelle eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Mundhygiene dar. Für die hauswirtschaftliche Versorgung seien mindestens 30 Minuten anzusetzen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Es sei für die Bekl...