Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Festbetragsfestsetzung für Hilfsmittel (hier: Einlagen). Klagebefugnis bei Verletzung der durch § 127 SGB 5 eingeräumten subjektiven Rechte. gerichtlicher Prüfungsmaßstab unter Berücksichtigung der Besonderheiten der speziellen Regelungsmaterie. Beurteilungsspielraum des GKV-Spitzenverbands bei der Kalkulation und Berechnung

 

Orientierungssatz

1. Ein Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich ist klagebefugt, wenn er behaupten kann, dass er durch die Festsetzung von Festbeträgen für bestimmte Hilfsmittel in den durch § 127 SGB 5 eingeräumten subjektiven Rechten verletzt sei.

2. Bei Festbetragsfestsetzungen nach § 36 SGB 5 ist ein eigener gerichtlicher Prüfungsmaßstab anzuwenden, der die Besonderheiten der speziellen Regelungsmaterie berücksichtigt. Die auf Arzneimittel zugeschnittenen Vorschriften des § 35 Abs 5 SGB 5 können nur bedingt angewendet werden.

3. Soweit im Rahmen des eigenen Dienst- und Werkleistungsanteils betriebswirtschaftliche Überlegungen und Berechnungen in die Kalkulation einfließen, muss sich die gerichtliche Überprüfung auf die Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit der vom GKV-Spitzenverband gegebenen Begründung beschränken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.04.2022; Aktenzeichen B 3 KR 4/20 R)

 

Tenor

Die Klagen gegen den Beschluss des Beklagten vom 22. März 2017 werden abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der Beschluss des Festbetragsgruppensystems und der Festbeträge für Einlagen gemäß § 36 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) des Beklagten vom 22. März 2017.

Vor der hier streitgegenständlichen Festbetragssetzung galten die Regelungen durch den Beschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 und die dort festgesetzten Festbeträge (BAnz vom 1. Februar 2012, Nr. 18 S. 379).

Die Klägerinnen zu 1) und 4) sind Orthopädie-Schuhbetriebe, der Kläger zu 2) ist der Zentralverband für Orthopädie-Schuhtechnik. Die Klägerinnen zu 3), 5) und 6) sind Landesinnungen für Orthopädie-Schuhtechnik.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 wandte sich der Beklagte an die Verbände der Leistungserbringer zur Anpassung der Festbeträge und bat um Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen insbesondere der Arbeitszeit für ein Paar Einlagen, Materialeinzelkosten, Stundenverrechnungssätze, Angaben zu den branchenüblichen Rabattsystemen, zu den Marktanteilen der einzelnen Produktarten und zu sonstigen Marktentwicklungen (Liste der 4 Verbände: VV Bl. 535).

In der Folgezeit gingen Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft Orthopädie-Schuhtechnik, der EuroCom (European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices) und des Bundesinnungsverbandes für Orthopädietechnik ein. Der Kläger zu 2) teilte mit Schreiben vom 6. März 2014 mit, die Preisfindung müsse anhand der realen Abgabepreise zumindest einmal im Jahr ermittelt werden.

Der Beklagte schrieb am 15. August 2016 die Verbände der Leistungserbringer erneut an und bat um Stellungnahme zur Fortschreibung des Festbetragsgruppensystems für Einlagen. Beigefügt war ein Entwurf des überarbeiteten Festbetragsgruppensystems.

Der Kläger zu 2) verwies in seiner Stellungnahme vom 9. September 2016 u. a. auf seine grundsätzliche Position, auf die nicht eingegangen worden sei.

Der Beklagte wandte sich ferner unter dem 25. August 2016 an insgesamt 25 Hersteller und bat um Übermittlung der aktuellen Einkaufspreislisten und Produktkataloge, Angaben zu Rabattsystemen und Höhe der Rabatte, Angaben zu den Marktanteilen/Absatzzahlen der einzelnen Produktarten sowie zu sonstigen Marktentwicklungen, die sich auf die Preisbildung auswirkten, z. B. Rohstoffpreisentwicklung oder ähnliches. Die eingegangenen Unterlagen wertete er aus und erstellte die Kalkulation zur Ermittlung von Festbeträgen für Einlagen 2017. In der internen Mitteilung vom 11. Januar 2017 heißt es unter I. Kalkulationsschema:

„Bei der Kalkulation der Festbeträge wird folgendes Kalkulationsschema verwendet:

Obergrenze des ungewichteten unteren Preisdrittels

+Materialkostenaufschlag (7,5 %)

+ Arbeitszeit (absoluter Minutenwert) x Stundenverrechnungssatz.

Den Berechnungen wird die Obergrenze des ungewichteten unteren Preisdrittels der Einkaufspreise zu Grunde gelegt. Die Liste der berücksichtigten Produkte ist als Anlage 1 beigefügt. Bei den Zusätzen für Einlagen wird abweichend hiervon der Durchschnitt der Herstellerabgabepreise (Mittelwert) zugrunde gelegt, da die Preisangaben für die zur Herstellung der zusätzlichen erforderlichen Materialien auf einer Markterhebung und Preisinformation der AGOS Arbeitsgemeinschaft Orthopädie-Schuhtechnik beruht. Da ein unteres Preisdrittel bei den Materialkosten für Zusätze nicht ermittelt und auf Nachfrage auch von der A nicht angegeben werden konnte, würden bei den Berechnungen die von der AGOS angegebenen Durchschnittsbeträge (Mittelwerte) zugrunde gelegt (Anlage 2).

Nach Mitteilung des Herstellerverbrandes EuroCom wird von den Herstellern ein bran...

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