Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Anforderungen an eine Festbetragsgruppenbildung. Anspruch von Arzneimittelherstellern bzw Vertriebsunternehmen auf gerichtlichen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an eine Festbetragsgruppenbildung nach § 35 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V.
Orientierungssatz
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Arzneimittelhersteller bzw Vertriebsunternehmen geltend machen können, durch eine Festbetragsfestsetzung in ihrem Grundrecht aus Art 19 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 GG und Art 12 GG verletzt zu sein, indem ein erheblicher Wettbewerbsnachteil behauptet wird (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 6.1.2014 - L 1 KR 40/13 KL ER, vom 22.6.2012 - L 1 KR 296/09 KL, vom 6.12.2011 - L 1 KR 184/11 ER und BSG vom 24.11.2004 - B 3 KR 10/04 R = BSGE 93, 296 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 und B 3 KR 23/04 R = BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen zu 1). Die übrigen Beigeladenen haben ihre Kosten selbst zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Festbeträgen für die Festbetragsgruppe,,Bisphosphonate und Kombinationen von Bisphosphonaten mit Additiva 1”.
Die Klägerin ist ein pharmazeutischer Unternehmer und bringt das den Wirkstoff Risedronsäure enthaltende Fertigarzneimittel Actonel® in verschiedenen Wirkstärken und auch als Kombinationspräparat mit Kalzium in den Verkehr, ferner Etidronsäure-haltige Fertigarzneimittel. Beide Wirkstoffe gehören zur Gruppe der Bisphosphonate, die im Wesentlichen zur Behandlung von Knochen- und Kalziumstoffwechselkrankheiten, insbesondere der Osteoporose eingesetzt werden.
Am 4. August 2005 hörte der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA; Beigeladener zu 1), nachfolgend nur noch “der Beigeladene„) zur Bildung einer Festbetragsgruppe an.
Nach Änderungen des Gruppenzuschnitts erging am 21. Juni 2006 ein weiteres Anhörungsschreiben zur Bildung einer Festbetragsgruppe,,Bisphosphonate und Bisphosphonate mit Additiva”. Am 2. November 2006 fand die mündliche Anhörung statt.
Die Klägerin erhob Einwände: Die gemeinsame Eingruppierung von Monopräparaten und Kombinationspräparaten in eine einzige Festbetragsgruppe sei nicht sachgerecht, da die Kombinationspräparate durch den zusätzlichen Wirkstoff eine zusätzliche pharmakodynamische Wirkung aufwiesen, die zu einer therapeutischen Verbesserung führten. Die Eingruppierung in eine Gruppe widerspreche den eigenen Entscheidungsgrundlagen des Beigeladenen zur Festbetragsgruppenbildung. Es sei fehlerhaft, für die Berechnung der Vergleichsgröße alleine das Bisphosphonat als Wirkstoff heranzuziehen, Kalzium hingegen nicht. Das Arzneimittel Actonel® 30 Milligramm dürfe nicht in die Festbetragsgruppe einbezogen werden, da es ausschließlich für die Indikation Morbus Paget zugelassen sei, hingegen alle anderen Arzneimittel für die Osteoporosebehandlung zugelassen seien. Die Indikation Morbus Paget bedeute eine therapeutische Verbesserung.
Sie kritisierte auch das Verfahren des Beigeladenen zur Vergleichsgrößenberechnung, weil es sowohl unter pharmakologischer als auch unter medizinisch-therapeutischen Gesichtspunkten zu fehlerhaften Festbeträgen führe.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2007 setzte der Beigeladene die Festbetragsgruppe wie folgt fest (BAnz Nr. 72, [S. 3957] vom 17. April 2007):
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Wirkstoff |
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Vergleichsgröße |
Alendronsäure |
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928 |
Alendronsäure |
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Natrium-(x) Wasser |
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Alendronsäure Natrium-(x) Wasser und |
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Additiva (Colecalciferol) |
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Etidronsäure |
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5836 |
Etidronsäure Natrium |
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Etidronsäure Natrium |
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und Additiva (Calcium) |
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Ibandronsäure |
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352 |
Ibandronsäure Natrium-(x) Wasser |
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Risedronsäure |
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463 |
Risedronsäure Natrium |
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Risedronsäure Natrium und Additiva (Calcium) |
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Gruppenbeschreibung: orale Darreichungsform |
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Darreichungsform: Tabletten, Filmtabletten, Kombipackung |
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Die Beigeladenen zu 3) bis 8) setzten anschließend mit Beschluss vom 7. Mai 2007 (BAnz Nr. 88 vom 11. Mai 2007 S. 4880) den Festbetrag auf 33,97 € auf Apothekeneinkaufspreisebene bei einer Wirkstärkenvergleichsgröße von 0,3 fest.
Mit der am 8. Juni 2007 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin zum einen gegen die Bildung der Festbetragsgruppe zum anderen gegen die Berechnung der Vergleichsgröße.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beigeladene mit Beschluss vom 15. Mai 2008 (BAnz Nr. 112 [S. 2748] vom 29. Juli 2008) Kombinationspräparate von “Risedronsäure mit Additiva (Calcium und Colecalciferol)” sowie mit Beschluss vom 20. August 2009 (BAnz 157 [S. 3579] vom 20. Oktober 2009) Kombinationspräparate von,,Aledronsäure Natrium-(x) Wasser und Additiva (Alfacacidrol)” in die streitgegenständliche Festbetragsgruppe aufgenommen.
Er hat sodann mit Beschluss vom 25. Januar 2010 die Vergleichgrößen angepasst und die für Aledronsäure-haltige Arzneimittel auf 1000, für Etidronsäure-haltige auf 5837, für Ibandronsäure-haltige auf 434 und für Risedronsäure-haltig...