Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung gegen eine private Pflegeversicherung. Amtsermittlung. Bindungswirkung. Gutachten. Versicherungsbedingungen
Orientierungssatz
1. Der Rechtsweg eines privat Versicherten gegen seine Pflegeversicherung auf Zahlung von Pflegegeld ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Zulässige Klageart ist die isolierte Leistungsklage. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedarf es mangels eines Verwaltungsaktes nicht. Es genügt die endgültige Ablehnung der Leistung durch die private Pflegeversicherung. Die Einhaltung einer Klagefrist ist nicht erforderlich.
2. Der Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit beginnt mit der ärztlichen Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Diese ist durch eine vom Versicherer beauftragten Arzt zu treffen.
3. Das vom Versicherer in Auftrag gegebene Gutachten zur Ermittlung des Pflegebedarfs entfaltet insoweit Bindungswirkung, als der Gutachter den von ihm für berücksichtigungsfähig gehaltenen Verrichtungen Zeitwerte zugeordnet hat. Fehlt eine solche Zuordnung, entfaltet es demgegenüber keine Bindungswirkung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte auch verurteilt wird, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 30. November 2008 14.665,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, zahlbar auf jeweils anteilige monatliche 205,00 € seit dem 1. Februar 2003 und jeweils zum 1. des Folgemonats für den zurückliegenden Monat, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2008 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, zahlbar auf jeweils monatlich anteilige 215,00 € seit dem 1. Februar 2008 und jeweils zum 1. des Folgemonats für den zurückliegenden Monat, und für die Zeit ab dem 1. Dezember 2008 monatlich 215,00 €, zahlbar erstmals zum 1. Januar 2009 und jeweils zum 1. des Folgemonats für den zurückliegenden Monat nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, jeweils ab dem 1. des Folgemonats für den zurückliegenden Monat, zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Pflegegeld bei häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I ab dem 1. Januar 2003 nebst Zinsen beanspruchen kann.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit privat versichert. Er leidet seit Jahren an zahlreichen Erkrankungen, so u. a. an ausgeprägten Phobien mit Angstvorstellungen, Aids, zentralbedingten Krämpfen sowie einer Polyneuropathie. Seit 1991 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie ergänzend dazu eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus einer privaten Rentenversicherung. Darüber hinaus ist er seit Jahren als Schwerbehinderter anerkannt, und zwar seit September 2002 mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen “B„ und “G„. Seit Februar 2003 ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “RF„ und seit September 2005 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “aG„ festgestellt worden. Der Kläger wohnt seit Jahren zusammen mit seinem Lebenspartner in einem Reihenhaus in B, dessen Stockwerke mit einer insgesamt 32stufigen Wendeltreppe miteinander verbunden sind. Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich die Küche sowie das vom Kläger und seinem Lebenspartner gemeinsam genutzte Wohn- und Esszimmer. Im ersten Stock des Hauses liegen die Zimmer des Lebenspartners sowie das gemeinsam genutzte Badezimmer, das mit einer Badewanne, einem Handwaschbecken und einer Toilette ausgestattet ist. Im zweiten Stock des Hauses befindet sich das Wohn- und Schlafzimmer des Klägers, der von seinem Lebenspartner betreut und gepflegt wird.
Am 30. Juli 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm Pflegegeld bei häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I zu zahlen. Die Beklagte beauftragte daraufhin die Gesellschaft für medizinische Gutachten M GmbH (M GmbH) mit der Begutachtung des Klägers zur Frage der Pflegebedürftigkeit. In ihrem Gutachten vom 29. August 2002 kam die Ärztin Dr. R nach Durchführung eines Hausbesuchs zu dem Ergebnis: Der Kläger sei nicht erheblich pflegebedürftig. Denn er benötige Hilfen nur im Umfang von 68 Minuten pro Tag, von denen 23 Minuten auf den Bereich der Grundpflege und 45 Minuten auf den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung entfielen. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit ihrem Schreiben vom 13. September 2002 ab. Nachdem sich der Kläger unter Bezugnahme auf von ihm für die Zeit vom 7. bis zum 13. Oktober 2002 erstellte “Pflegeprotokolle„ mit dieser Entscheidung nicht einvers...