Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Erstattung von Fahrtkosten für Besuche bei einem erkrankten Elternteil. keine Festlegung des individuellen Bedarf abweichend vom Regelsatz. kein laufender Bedarf. keine Darlehensgewährung nach § 37 Abs 1 SGB 12. fehlende Antragstellung. Hilfe in sonstigen Lebenslagen. Entstehung und Deckung des Bedarfs vor Kenntniserlangung durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen scheidet nach § 18 Abs 1 SGB 12 aus, wenn der Bedarf vor Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Bedarfslage entstanden und auch gedeckt worden ist.

2. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Hilfefall, also von der laufenden Hilfebedürftigkeit für Leistungen zum Lebensunterhalt, reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn es um Sonderbedarfe und vom laufenden Bedarf abgrenzbare Bedarfssituationen geht, die abtrennbare Streitgegenstände sein können und daher auch eigenständig, das heißt grundsätzlich unabhängig von der daneben bestehenden bekannten Bedarfslage, zu beurteilen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.04.2016; Aktenzeichen B 8 SO 5/15 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 144,40 Euro für in der Zeit vom 31. Oktober bis 6. November 2011 entstandene Fahrtkosten.

Der 1987 geborene Kläger leidet an einer autistischen Störung (schweres Asperger Syndrom) und einem Savant Syndrom. Bei ihm war im streitbefangenen Zeitraum mit Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt - vom 23. November 2010 ein Grad der Behinderung von 70 anerkannt. Der Kläger bezog eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 541,35 Euro ab 1. April 2010 und ab 1. August 2011 in Höhe von monatlich 181,14 Euro.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 gewährte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. August 2010 Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - SGB XII - in Höhe von monatlich 802,53 Euro bis zum 31. Juli 2011. Unter dem 1. Februar 2011 beantragte der Kläger Eingliederungshilfe. Daraufhin wurden dem Kläger mit Bescheid vom 21. Februar 2011 Leistungen für die Kosten der Betreuung im betreuten Einzelwohnen von 5,5 Stunden/Woche für die Zeit vom 15. Februar 2011 bis 14. Februar 2012 in Höhe von monatlich 680,00 Euro gewährt. Mit Bescheid vom 5. April 2011 wurden dem Kläger in Abänderung der zuvor erfolgten Bewilligung für die Zeit ab 1. Januar 2011 monatlich 814,00 Euro als Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gewährt. Mit Bescheid vom 7. April 2011 wurden in Abänderung der vorherigen Bescheide dem Kläger ab 1. April 2011 Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII in Höhe von monatlich 959,64 Euro ab April 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2011 gewährt. Unter dem 14. April 2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 4 SGB XII und über seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten unter dem 21. April 2011 die Gewährung von Leistungen zur Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets. Die Leistungsgewährung als persönliches Budget wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 26. April 2011 abgelehnt.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2011 wurden dem Kläger Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII in Höhe von monatlich 981,90 Euro für die Zeit ab Mai 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2011 gewährt. Mit Bescheid vom 7. Juni 2011 wurden dem Kläger in Abänderung vorheriger Bewilligungen für die Zeit ab 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2011 monatlich 797,90 Euro als Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII gewährt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 10. Juni 2011 Widerspruch. Dieser richtete sich gegen die Anrechnung von Kindergeld. Mit Bescheid vom 13. Juli 2011 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII für die Zeit ab 1. August 2011 ab und gewährte für den Monat August 2011 630,00 Euro, für die Zeit ab 1. September 2011 bis 31. Dezember 2011 monatlich 448,86 Euro. Bei der Bemessung des Bedarfs wurde sowohl das an den Kläger von der Familienkasse Dortmund abgezweigte Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro als auch die Waisenrente als Einkommen berücksichtigt. Die bewilligten Leistungen wurden für September 2011 hinsichtlich der Höhe geändert (Bescheid 2. September 2011). Mit Bescheid vom 13. Dezember 2011 wurde ein Antrag des Klägers auf Gewährung von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII abgelehnt. Auf den weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII gewährte der Beklagte dem Kläger für das Jahr 2012 mit Bescheid vom 28. Dezember 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 458,86 Euro.

Unter dem 13. Dezember 2011 beantragte der Kläger über seine Verfahrensbevollmächtigte die Erstattung von Fahrkosten zum Besuch seiner Mutter in Dortmund in der Zeit vom 31. Oktober bis 6. November 2011. Die Aufwendungen s...

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