Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Aufhebung einer ursprünglichen Leistungsgewährung bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (hier: Rückstufung von Pflegestufe III auf Pflegestufe II). Vergleich des Hilfebedarfs. Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung. Maßgeblichkeit des Zeitaufwands einer nicht als Pflegekraft ausgebildeten Pflegeperson. objektive Beweislast der Pflegekasse
Orientierungssatz
1. Bei der Aufhebung einer ursprünglichen Leistungsgewährung (hier: Rückstufung von Pflegestufe III auf Pflegestufe II) sind nach § 48 Abs 1 SGB 10 stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (vgl BSG vom 7.7.2005 - B 3 P 8/04 R = BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 RdNr 19).
2. Eine wesentliche Änderung iSd § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 ist keineswegs bereits dann anzunehmen, wenn bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen lediglich eine abweichende Beurteilung des resultierenden Hilfebedarfs vorgenommen wird. Dabei ist zu beachten, dass die Pflegekasse, die sich auf eine Änderung der Verhältnisse beruft, grundsätzlich die objektive Beweislast hierfür trägt, also für eine (positive) Abweichung des späteren Zustands von dem früheren.
3. Im Rahmen der §§ 14 und 15 SGB 11 kommt es mithin maßgeblich auf den Zeitaufwand an, den nach objektiven Maßstäben eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für den erforderlichen Hilfebedarf benötigen würde, weil ansonsten bei gleichem Pflegebedarf des Pflegebedürftigen je nach Wahl der Pflegeperson und deren unterschiedlichen Leistungsfähigkeit (zB wegen des eigenen Alters, der Kenntnisse, der Fähigkeiten, der Erfahrung und des Gesundheitszustandes der Pflegeperson) unterschiedliche Leistungsansprüche resultieren würden (vgl BSG vom 21.2.2002 - B 3 P 12/01 R = SozR 3-3300 § 14 Nr 19 RdNr 12ff).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Rückstufung von der Pflegestufe III auf die Pflegestufe II.
Die 1950 geborene Klägerin bezog ab August 2009 von der Beklagten Leistungen nach der Pflegestufe II in Form von Pflegegeld und wurde u.a. von ihrer Tochter Y gepflegt. Sie stellte am 13. November 2012 bei der Beklagten einen Höherstufungsantrag. Hierzu ließ die Beklagte vom Medizinischen Dienst Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) durch die Pflegefachkraft B auf der Grundlage eines am 11. Dezember 2012 durchgeführten Hausbesuchs mit Untersuchung das Pflegegutachten vom 11. Dezember 2012 erstellen, worin der Zeitaufwand für Körperpflege auf 74 Minuten, für Ernährung auf 106 Minuten, für Mobilität auf 29 Minuten, mithin der Gesamtzeitaufwand der Grundpflege auf 209 Minuten/ Tag und der Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Versorgung auf durchschnittliche 60 Minuten/ Tag ermittelt wurden. Gegen den hierauf ergangenen Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2012, wonach bei der Klägerin weiterhin nur ein Hilfebedarf nach der Pflegestufe II bestehe, erhob sie Widerspruch, woraufhin die Beklagte ein weiteres Pflegegutachten durch die Pflegefachkraft H aufgrund neuerlicher Begutachtung bei der Klägerin zu Hause vom 7. März 2013 erstellen ließ. Hierin wurden der Klägerin unter den pflegebegründenden Diagnosen Adipositas (115 kg bei 154 cm Körpergröße), Spondylose, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, Schwindel, chronisches Schmerzsyndrom, Diabetes mellitus Typ 2 (insulinpflichtig), Polyneuropathien, Gonarthrose links, Linksherzinsuffizienz, Hyperglykämie ein Zeitaufwand für Körperpflege von nunmehr 128 Minuten (für jede Verrichtung ein erhöhter Zeitwert aufgrund Adipositas und Immobilität berücksichtigt), für Ernährung von 51 Minuten (Hilfebedarf bei oraler Nahrungsaufnahme wegen fehlender Halte-/ Greiffunktion infolge des starken Tremors der Hände), für Mobilität von 83 Minuten (auch Gehen innerhalb der Wohnung nur mit Hilfe möglich), mithin ein Gesamtaufwand von 262 Minuten/ Tag und ein Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Verrichtungen von durchschnittlich 60 Minuten/ Tag bescheinigt. Zur Begründung ist im Gutachten festgehalten, dass sich der Pflegebedarf gegenüber dem Vorgutachten erheblich erhöht habe. Bei regelmäßiger Krankengymnastik und einer aktivierenden Pflege sei eine pflegestufenrelevante Verbesserung nicht auszuschließen, weshalb eine Nachbegutachtung in zwölf Monaten empfohlen werde.
Die Beklagte erkannte bei der Klägerin mit Bescheid vom 15. März 2013 nunmehr einen Pflegebedarf nach der Pflegestufe III an und gewährte ihr mit Bescheid vom 26. März 2013 höheres Pflegegeld.
Die Beklagte ließ vom MDK durch die Pflegefachkraft Z auf der Grundlage eines durchgeführten Hausbesuchs mit Untersuchung das Pflegegutachten vom 26. März 2014 erstellen, worin für die Zeit ab März 2014 der Zeitaufwand für Körperpflege auf 99 Minuten, für Ernährung au...