Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bei der Bedarfsermittlung. Zusammenrechnung von Einnahmen und Ausgaben aus verschiedenen Geschäftszweigen eines Gewerbetreibenden. Berücksichtigung der Tilgungsleistungen auf ein betriebliches Darlehen als Betriebsausgaben

 

Orientierungssatz

1. Werden im Rahmen eines Gewerbes sowohl Fahrzeuge als auch andere damit nicht zusammenhängende Produkte (hier: Insolvenzware) über verschiedene Online-Portale gehandelt, so ist bei der Ermittlung von anrechenbaren Einkünften im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende von gleichartigen Tätigkeiten auszugehen und sind damit die Einnahmen und Betriebsausgaben aus den beiden Geschäftsbereichen zusammenzurechnen (sog. horizontaler Verlustausgleich).

2. Hat ein selbständig tätiger Grundsicherungsempfänger ein betriebliches Darlehen aufgenommen, um damit Betriebsausgaben zu finanzieren, so sind die Tilgungsleistungen auf das Darlehen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen und demgemäß bei der Ermittlung des Erwerbseinkommens von den Einnahmen entsprechend abzuziehen.4

3. Einzelfall zur Ermittlung des Einkommens aus gewerblicher Tätigkeit im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger und die im Berufungsverfahren neu erhobene Klage gegen die Änderungsbescheide des Beklagten vom 13. Januar 2014 wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2013 geändert und dessen Tenor wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 5. Mai 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20. Juli 2011 (Az. W 4021/11 und 4121/11) verpflichtet, den Klägern für die Monate Juni bis Oktober 2010 endgültig weitere Leistungen in folgender Höhe zu bewilligen:

- der Klägerin zu 1) weitere Regelleistungen für den Monat Juni 2010 in Höhe von 102,10 EUR und für die Monate Juli bis Oktober 2010 in Höhe von monatlich 101,80 EUR,

- dem Kläger zu 2) für den Monat Juni 2010 weitere Regelleistungen in Höhe von 49,22 EUR und weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 0,43 EUR und für die Monate Juli bis Oktober 2010 monatlich weitere Regelleistungen in Höhe von 49,22 EUR,

- dem Kläger zu 3) weitere Regelleistungen für den Monat Juni 2010 in Höhe von 102,11 EUR und für die Monate Juli bis Oktober 2010 in Höhe von monatlich 101,79 EUR.

Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 5. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 zum Aktenzeichen W 4021/11 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2014 wird aufgehoben, soweit der Kläger zu 3) für den Monat Juni 2010 mehr als 18,24 EUR (Regelleistung) und für die Monate Juli bis Oktober 2010 jeweils mehr als 23,65 EUR (18,28 EUR Regelleistung und 5,37 EUR Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung) zu erstatten hat.

Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 5. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 zum Aktenzeichen W 4121/11 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2014 wird aufgehoben,

- soweit die Klägerin zu 1) für den Monat Juni 2010 mehr als 18,24 EUR (Regelleistung) und für die Monate Juli bis Oktober 2010 jeweils mehr als 23,68 EUR (18,28 EUR Regelleistung und 5,40 EUR Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung) zu erstatten hat und

- der Kläger zu 2) für den Monat Juni 2010 mehr als 8,86 EUR (Regelleistung) und für die Monate Juli bis Oktober 2010 jeweils mehr als 14,18 EUR (8,78 EUR Regelleistung und 5,40 EUR Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung) zu erstatten hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die im Berufungsverfahren neu erhobene Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Juni 2010 bis Oktober 2010 und in diesem Zusammenhang über die Höhe des anzurechnenden Einkommens des Klägers zu 3) aus dessen selbständiger Tätigkeit.

Der 1976 geborene Kläger zu 3) und die 1978 geborene Klägerin zu 1) sind die Eltern des im Dezember 1996 geborenen Klägers zu 2). Die Kläger lebten in dem streitgegenständlichen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die von ihnen bewohnte Wohnung betrugen monatlich 542 EUR, die sich zusammensetzten aus 336,13 EUR Kaltmiete, 147,07 EUR Betriebskostenvorauszahlung und 58,80 EUR Heizkostenvorauszahlung.

Der Kläger zu 3) ist selbständig tätig. Er hat ein Gewerbe angemeldet für die Tätigkeiten “Handel mit Wirtschaftsgütern aller Art, Autohandel, Im-/Export, Beratungsleistungen„. Er handelt in erster Linie mit Kraftfahrzeugen (Kfz), die er selbst ankauft und auf einem angemieteten Betriebsgelände sowie im Internet zu...

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