Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG für Zeiten einer Inhaftierung als Kundschafter. Gleichstellung der Zeit einer Haft als Agent mit einer Pflichtbeitragszeit nach dem AAÜG
Leitsatz (redaktionell)
1. § 5 AAÜG bestimmt die Gleichstellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung für solche Zeiten, in denen “Versorgungsberechtigte” eine entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung in einem in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten System vorgesehen war.
2. Drei Tatbestandsvoraussetzungen müssen vorliegen, nämlich 1. die Ausübung einer Beschäftigung, 2. eine entgeltliche Beschäftigung und 3. eine Beschäftigung im Rahmen eines Versorgungssystems.
3. Das Tätigwerden für das Ministerium der Staatssicherheit als Kundschafter auch während der Inhaftierung stellt trotz fortlaufendem Entgeltbezug kein Beschäftigungsverhältnis dar, weil es an einer Eingliederung in einen fremden Betrieb und einer fremdbestimmten Arbeit nach konkreten Weisungen fehlt.
Normenkette
AAÜG § 5; SGB IV § 7
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zeit vom 03. Juni 1966 bis 06. September 1974 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Sonderversorgung der Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit, Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG - .
Der 1925 geborene Kläger war seit 1957 inoffizieller Mitarbeiter - IM - beim ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit im Beitrittsgebiet - MfS -. Ab dem 01. Januar 1963 war er nach eigenen Angaben hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS, zunächst als Offizier, ab dem 01. März 1975 bis 31. Dezember 1978 Abteilungsleiter. Der Kläger hat seinen Verdienst beim MfS für die Zeit ab 01. Januar 1963 bis Ende 1966 mit jährlich 900 Mark, für das Jahr 1967 mit 1.050 Mark der DDR, für 1968 in Höhe von 1.140 Mark der DDR, für die Jahre 1969 und 1970 mit 1.200,00 Mark, für 1971 in Höhe von 1.320 Mark der DDR, für 1972 in Höhe von 1.440 Mark, für 1973 in Höhe von 1.560 Mark, für 1974 und 1975 in Höhe von 1.680 Mark und für die Jahre 1976 bis einschließlich 1978 mit 1.860 Mark angegeben. In seinem Sozialversicherungsausweis wurden für die Jahre 1966 bis einschließlich 1975 jährlich 7.200 Mark als Bruttoverdienst für die Sozialversicherung vermerkt.
In der Zeit vom 03. Juni 1966 bis 06. September 1974 war der Kläger in Frankreich wegen Agententätigkeit inhaftiert.Nach eigenen Angaben wurden dem Kläger während der Haft 200 Mark von seinem Auftraggeber in die Haftanstalt gezahlt, eine weitere Vergütung sei auf ein Bankkonto in der ehemaligen DDR gezahlt worden. Am 01. September 1975 erfolgte nach Rückkehr in das Beitrittsgebiet die Attestierung mit dem Dienstgrad Hauptmann. Sein Dienstalter wurde unter doppelter Anrechnung der Haftzeit festgelegt.
Auf seinen Antrag wurde dem Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 1978 eine Invalidenrente ab 01. Januar 1979 gewährt. Zuletzt erhielt der Kläger im Beitrittsgebiet durch Bescheid des Ministeriums für Staatssicherheit vom 27. September 1989 eine monatliche Invalidenrente ab 01. Juli 1989 in Höhe von 2.672,00 Mark der DDR. Diese Rente wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Juli 1991 ab 01. August 1991 in Höhe von 802,00 DM gezahlt.
Mit Bescheid vom 24. Februar 1995 stellte die Beklagte als nachgewiesene Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem nach § 5 AAÜG die Zeiträume vom 01. Januar 1963 bis 28. Februar 1966 sowie vom 01. September 1975 bis 31. Dezember 1978 mit Entgelten fest. Hiergegen erhob der Kläger am 02. März 1995 Widerspruch und machte auch die Berücksichtigung der Zeit vom 01. März 1966 bis 31. August 1975 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS geltend. Gleichzeitig wandte er sich gegen die mit dem Entgeltbescheid festgestellte Kürzung der tatsächlichen Jahresbruttoarbeitsentgelte nach § 7 AAÜG. Mit Bescheid vom 12. Juni 1995 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Zeiten der Inhaftierung seien unabhängig von Zahlungen von Bezügen und unabhängig vom Ort der Inhaftierung nicht zu berücksichtigen.
Daraufhin erhob der Kläger am 20. Juni 1995 beim Sozialgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen S 10 RA 484/95 Klage, die nach einem Ruhen des Rechtsstreits unter dem Aktenzeichen S 10 R 509/96 fortgeführt wurde.
Mit Bescheid vom 04. März 1997 hob die Beklagte den Bescheid vom 24. Februar 1995 auf und stellte die Zeiten vom 01. Januar 1963 bis 02. Juni 1966, vom 07. September 1974 bis 31. August 1975 und vom 01. September 1975 bis 31. Dezember 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgun...