Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Rentner. Wohnsitz in der Schweiz. Bezug einer deutschen Regelaltersrente. Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz. Verpflichtung zum Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes in der Schweiz. keine Pflichtversicherung in ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung iS von § 106 Abs 1 SGB 6
Orientierungssatz
1. Bei einer europarechtskonformen Auslegung erscheint es für die Begründung eines Anspruchs auf Zuschuss zur Krankenversicherung für ein Versicherungsverhältnis in der Schweiz nach § 106 Abs 1 S 1 SGB 6 ausreichend, dass das Krankenversicherungsunternehmen, bei welchem der Rentenbezieher versichert ist, der Aufsicht des ausländischen Staates, hier also der Schweiz, unterliegt (vgl LSG Baden-Württemberg vom 14.4.2011 - L 10 R 5221/07, juris-Rdnr 27 und LSG Berlin-Brandenburg vom 9.6.2010 - L 4 R 583/06 juris-Rdnr 25).
2. Der Anspruch auf einen Beitragszuschuss ist nicht gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB 6 ausgeschlossen, denn die schweizerische obligatorische Krankenpflegeversicherung stellt keine gleichzeitige Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die jeweiligen Regelungen des Krankenversicherungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz sind voneinander wesensverschieden. So regelt Art 3 Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) lediglich die Verpflichtung des Versicherten, eine Krankenversicherung mit einem bestimmten Basistarif zu unterhalten. Diese Verpflichtung macht aber einen die obligatorische Krankenpflegeversicherung anbietenden privaten Versicherer nicht zu einer gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, ob jemand lediglich zur Begründung und zum Nachweis eines bestimmten Krankenversicherungsschutzes verpflichtet ist, wie dies in der Schweiz der Fall ist, oder ob jemand - wie in der Bundesrepublik Deutschland - kraft Gesetzes automatisch in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Eine automatische Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt somit bei einem KV-Obligatorium nach dem schweizerischen KVG nicht vor (vgl LSG Baden-Württemberg vom 14.4.2011 - L 10 R 5221/07 und LSG Berlin-Brandenburg vom 9.6.2010 - L 4 R 583/06).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, einen Bescheid, mit dem sie einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung (KV) in der Schweiz gewährt hatte, gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen.
Der 1940 geborene, in der Schweiz lebende Kläger beantragte am 24. Januar 2005 über die schweizerische Ausgleichskasse bei der Beklagten eine Altersrente. In dem dem Antrag beigefügten Formular E 202 war die Frage nach der Art des Versicherungsschutzes in der KV durch die schweizerische Ausgleichskasse nicht beantwortet worden (s. 8.18 des Formulars).
Mit Rentenbescheid vom 18. August 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01. September 2005 eine Regelaltersrente. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger in seinem Wohnstaat gesetzlich krankenversichert sei. Deshalb werde kein Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag aus der Rente einbehalten.
Am 12. Dezember 2008 beantragte der Kläger einen Zuschuss zu einer Schweizer obligatorischen KV sowie einer freiwilligen Zusatzversicherung bei der G M A. Versichert waren ambulante Arztbehandlung, Arzneien, stationäre Krankenhausbehandlung, zahnärztliche Behandlung/Zahnersatz sowie im Rahmen der Zusatzversicherung außerdem Unfälle sowie eine privilegierte Behandlung und Unterbringung im Krankenhaus.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 ab, da der Kläger auf Grund einer ausländischen gesetzlichen KV pflichtversichert sei, was vom 01. Mai 2007 an den Zuschuss zur KV ausschließe (§ 106 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)).
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage von entsprechenden Bescheinigungen der M A geltend, er sei in der gesetzlichen Krankenversicherung der Schweiz “pflichtversichert„ (CHF 415, 70/Monat in 2009) und entrichte außerdem Beiträge zu einer freiwilligen Zusatzversicherung (CHF 274,00/Monat in 2009). Bei Stellung des Rentenantrags sei er davon ausgegangen, alle Formulare vollständig erhalten und ausgefüllt zu haben. Er habe erst jetzt Kenntnis davon erlangt, dass seit dem 01. Mai 2007 eine gesetzliche Regelung in Deutschland bestehe, nach der der Beitragszuschuss durch eine ausländische Pflichtkrankenversicherung ausgeschlossen sei. Davor sei von der deutschen Rentenversicherung Bund die Auffassung vertreten worden, dass eine ausländische Pflichtversi...