Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorierung vertragszahnärztlicher Leistungen. Honorarberichtigung. Begrenzung durch vierjährige Ausschlussfrist. keine Hemmung der Frist durch Ungewissheit über Höhe der zu verteilenden Gesamtvergütung. Erforderlichkeit von Vorbehalten und Vorläufigkeitsvermerken bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Honorarverteilung. Anwendbarkeit von § 45 SGB 1 auf Prüf- und Berichtigungsbescheide. keine Anwendbarkeit von § 212 BGB auf Ausschlussfristen
Orientierungssatz
1. Die Möglichkeit der Honorarberichtigung wird begrenzt durch eine vierjährige Ausschlussfrist.
2. Der Aspekt der Ungewissheit über die Höhe der zu verteilenden Gesamtvergütung hemmt nicht den Lauf der vierjährigen Ausschlussfrist (vgl BSG vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B).
3. Wenn eine K(Z)ÄV Zweifel an der Rechtmäßigkeit der konkret anzuwendenden Grundlagen der Honorarverteilung kennt oder im Hinblick auf aktuell geführte rechtliche Auseinandersetzungen kennen muss, ist sie gehalten, darauf durch gezielte Vorbehalte und Vorläufigkeitsvermerke in den Honorarbescheiden hinzuweisen; unterlässt sie dies, kann ihre Berechtigung zur Korrektur von später als fehlerhaft erkannten Honorarbescheiden eingeschränkt sein (vgl BSG vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R = BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42).
4. Nach § 45 Abs 2 SGB 1 gelten für die Hemmung der Verjährung im Sozialverwaltungsrecht die Vorschriften des BGB. Diese Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B aaO) entsprechend auf die Ausschlussfrist für den Erlass von Prüf- und Berichtigungsbescheiden anzuwenden
5. Die auf Verjährungstatbestände zugeschnittene Vorschrift des § 212 BGB ist grundsätzlich nicht auf Ausschlussfristen entsprechend anwendbar (vgl BGH vom 9.4.2008 - VIII ZR 84/07 = NJW 2008, 2258). Der Zweck von Ausschlussfristen besteht darin, für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen; dem stünde es entgegen, die Möglichkeit ihrer vollständigen Erneuerung zuzulassen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheid mit Bezug auf das Quartal I/00; streitig ist ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 2.372,26 Euro.
Der Kläger ist zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen.
Mit dem Honorarbescheid für das Quartal I/00 vom 19. Juli 2000 behielt die Beklagte unter Buchungsnummer 285 für dieses Quartal Honorar in Höhe von 2.730,- DM (1.395,83 Euro) ein. Der Honorarbescheid begründete den Einbehalt nicht gesondert, führte aber eine Fülle von Umständen auf, im Hinblick auf die die Honorarverteilung unter Vorbehalt erfolge, u.a. im Hinblick auf “Rückforderungen aufgrund HVM-bedingter Kürzungen für die Jahre 1996 bis 1999„.
In einem Rundschreiben vom 18. Oktober 2000 wies die Beklagte u.a. darauf hin, dass es zu Honorarkorrekturen für das Quartal I/00 kommen werde; aufgrund noch nicht abgeschlossener Verträge mit der IKK und den BKKen würden diese Rückforderungen aber frühestens im Frühjahr 2001 bekannt sein. Die Verträge mit der IKK und den BKKen schloss die Beklagte bis Juli 2001 vollständig ab.
In einem Sonderrundschreiben vom 10. Dezember 2001 wies die Beklagte auf gerichtliche Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit Honorarrückforderungen für die Jahre 1997 bis 1999 hin. Weil die Gründe von Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2001 sowie des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2001 noch nicht vorlägen, sei das weitere Vorgehen offen. Auch für das Quartal I/00, für das noch ein alter HVM gelte, müsse vor abschließender Abrechnung das Vorliegen der Urteilsgründe abgewartet werden. Dies bestätigte die Beklagte zudem in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 18. Dezember 2001 (“Honorarendabrechnung für das Jahr 2000„).
In den Folgejahren erfolgte keine abschließende Honorarabrechnung für das Quartal I/00.
Erst mit Bescheid vom 21. März 2007, dem Kläger bekannt gegeben am 6. Juni 2007, nahm die Beklagte eine Honorarberichtigung für das Quartal I/00 vor. Der vom Kläger zurückzuzahlende Betrag belaufe sich auf 2.372,26 Euro; abzüglich des geleisteten Einbehalts von 1.395,83 Euro komme es in der Quartalsabrechnung IV/06 zu einer Lastschrift von noch 976,43 Euro. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Mit Urteilen vom 14. Dezember 2005 habe das Bundessozialgericht die Honorarberichtigungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten mit Bezug auf die Jahre 1997 bis 1999 für rechtmäßig erklärt. Nach höchstrichterlicher Klärung der HVM-Rechtslage könne und müsse nun auch die noch ausstehende HVM-Anwendung für das Quartal I/00 erfolgen. Aufgrund der Honorareinbehalte im Honorarbescheid I/00, des Rundschreibens vom 18. Oktober 2000, des Sonderrundschreibens...