Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Erlasses von Beiträgen zur Krankenversicherung und Säumniszuschlägen

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 256a SGB 5 setzt für den Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen voraus, dass der Versicherte das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5 erst nach Eintritt der Versicherungspflicht anzeigt. Ermäßigt bzw. erlassen sollen Beitragsschulden für die Zwischenzeit zwischen dem Beginn und dem Bekanntwerden der Auffangpflichtversicherung.

2. Die Krankenkasse soll Beiträge nur dann erlassen, wenn dem keine Behandlungskosten mehr gegenüber stehen.

3. In allen Fällen soll die Krankenkasse im Fall einer verspäteten Anzeige des Vorliegens der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5 die Beiträge angemessen ermäßigen. Säumniszuschläge auf die erlassenen Beiträge sind zwingend vollständig zu erlassen.

4. Die Höhe der zwingenden Ermäßigung liegt nicht im Ermessen der Krankenkasse. Es ist unangemessen, einen Erlass von 1300.- €. zu versagen, wenn der Wert der in Anspruch genommenen Sachleistung bereits vom Versicherten erstattet wurde. Angemessen erscheint es, lediglich den Verwaltungsaufwand der Krankenkasse hierbei zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklage hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt den Erlass von Beiträgen sowie Säumniszuschlägen.

Er bezog vor dem 1. Oktober 2011 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und war insoweit bei der Beklagten zu 1) (nachfolgend nur noch: “die Beklagte„) gesetzlich krankenversichert. Seit dem 1. Oktober 2011 war er pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die Beklagte übersandte dem Kläger am 18. Oktober 2011 ein Schreiben mit dem Betreff “Ihr Krankenversicherungsschutz ist uns wichtig!„, in dem sie anlässlich des Endes des Bezuges von Arbeitslosengeld II um Ausfüllung und Rücksendung einer Veränderungsanzeige bat. Beigefügt war eine “Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V zur Vorlage bei dem Arbeitgeber, Bundesagentur für Arbeit oder Arbeitslosengeld II-Behörde„, in der es heißt, der Kläger ihr Mitglied. In einem weiteren Schreiben vom Oktober 2011 bat sie ihn um Einreichung eines Lichtbildes für die neue elektronische Gesundheitskarte.

Am 3. November 2011 nahm der Kläger bei der Zahnarztpraxis Dr. F in B zahnärztliche Leistungen in Anspruch. Der Kläger hat hierzu später vorgetragen, seine Zahnärztin als Notfall aufgesucht zu haben, da ihm etwas von seinem Zahnimplantat abgebrochen sei.

Die Beklagte wendete für diese Behandlung 45,90 € auf.

Am 8. November 2011 übersandte sie ein Antragsformular zur freiwilligen Krankenversicherung.

Am 24. Mai 2012 gab der Kläger bei der Beklagten eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) ab.

Die Beklagte setzte daraufhin - auch im Namen der Beklagten zu 2) - mit Bescheid vom 25. Mai 2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2011 auf insgesamt 145,64 € monatlich fest, für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 auf 149,63 €. Für den rückwirkenden Zeitraum seien Säumniszuschläge von 112,00 € angefallen.

Sie mahnte unter dem 25. Juni 2012 die ausstehenden Beträge an. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 informierte sie den Kläger über die durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung eingeführte Möglichkeit, Beiträge und Säumniszuschläge zu erlassen. Unter dem 18. Dezember 2013 sandte dieser die beigefügte “Erklärung zum Erlass von Beiträgen„ zurück und erklärte, während des Nacherhebungszeitraumes vom 1. Oktober 2011 bis 30. April 2012, für den bisher noch keine Beiträge gezahlt worden seien, Leistungen nicht in Anspruch genommen zu haben bzw. auf eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung zu verzichten. Er beantragte ferner mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 ausdrücklich den Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen im Nacherhebungszeitraum.

Mit Schreiben vom 11. März 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, am 17. Januar 2014 noch nicht gezahlte Säumniszuschläge teilweise gemäß § 256a Abs. 3 SGB V für den Zeitraum vom Beitragsmonat Oktober 2011 bis Mai 2013 erlassen zu haben, insgesamt 1.302,00 €.

Sie lehnte es mit Bescheid vom 13. März 2014 ab, auch darüber hinaus Beiträge und Säumniszuschläge nach § 256a SGB V zu erlassen. Nach den am 4. September 2013 aufgestellten einheitlichen Grundsätzen zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (einheitliche Grundsätze Beitragsschulden) setze ein Erlass der Beiträge voraus, dass der Versicherte schriftlich erkläre, im Nacherhebungszeitraum Leistungen nicht in Anspruch genommen zu haben oder im Falle in Anspruch genommener L...

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