Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung. Produktionsbetrieb. VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin (WSSB)

 

Orientierungssatz

1. Die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz hing nach § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs. 1 S. 1 der 2. DB zur VO-AVItech von drei Voraussetzungen ab: Der Versorgungsberechtigte muss eine bestimmte Berufsbezeichnung führen (persönliche Voraussetzung), eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb oder einer gleichgestellten Einrichtung verrichtet haben (betriebliche Voraussetzung).

2. Volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie waren nur solche, die durch eine stark standardisierte Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mithilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen im Sinne des fordistischen Produktionsmodells ihr Gepräge erhalten haben. Auf die Prüfung des “Gepräges„ kann nicht verzichtet werden, weil ein VEB statistisch einem bestimmten Wirtschaftsbereich zugeordnet war; dies ist lediglich ein Beurteilungskriterium, kein unwiderleglicher Nachweis.

3. Welche Betriebe den VEB der Industrie und des Bauwesens gleichgestellt waren, wurde in § 1 Abs. 2 der 2. DB zur VO-AVItech geregelt. Diese Vorschrift ist keiner erweiternden Auslegung zugänglich.

4. Der VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin (WSSB) war kein Produktionsbetrieb.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2008 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech, Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage I zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG -) für Zeiten der Beschäftigung im Zeitraum vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990 sowie die Feststellung der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1952 in Bulgarien geborene Kläger legte sein Berufsleben bis zum 02. Oktober 1990 in der DDR zurück. Im Juni 1968 schloss der Kläger den Besuch der polytechnischen Oberschule und am 03. Juli 1970 die Berufsausbildung zum Elektromonteur im VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin (WSSB) erfolgreich ab. Vom 01. September 1971 bis 26. Februar 1975 besuchte er die Ingenieurhochschule L und bestand am 26. Februar 1975 die staatliche Hauptprüfung und am 27. Juli 1976 die Diplomprüfung unter Verleihung des akademischen Grades Diplom-Ingenieur (Zeugnis vom 27. Juli 1976).

Seit dem 01. März 1975 war der Kläger wieder beim VEB WSSB - unterbrochen durch Wehrdienst in Bulgarien vom 03. August 1976 bis 11. Juni 1978 - als Projektingenieur, Schaltingenieur, Fachgebietsleiter Entwicklung, Fachgebietsverantwortlicher Entwicklung, Ingenieur für Mikroelektronik und Entwicklungsingenieur bis zum 30. Juni 1990 (und darüber hinaus sowie später beim Nachfolgebetrieb Siemens AG Verkehrstechnik Berlin) beschäftigt. Aus den in dieser Beschäftigung erzielten Entgelten entrichtete er Beiträge zur Sozialversicherung bis zu der in dieser geltenden Bemessungsgrenze (bis 30. Juni 1990 von monatlich 600,00 Mark). Der freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR) trat der Kläger nicht bei. Er gehörte während seiner Beschäftigung in der DDR bis zur Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 keinem solchen System an und hatte auch keine entsprechende Versorgungszusage erhalten oder einzelvertraglich zugesagt bekommen.

Der VEB WSSB entstand im Jahre 1953 als Zusammenschluss des VEB Signalbau Berlin mit dem VEB Fernmeldetechnik Treptow und war in der Folge der einzige Betrieb auf seinem Geschäftsfeld in der DDR. Seine Aufgaben waren nach dem Statut vom 21. August 1968 die Erforschung, Entwicklung, Produktion und der Absatz von Signal- und Sicherungsanlagen für den schienengebundenen Verkehr. Der Betrieb war Exporteur für Anlagen und Geräte der Signal- und Sicherungstechnik. Er gehörte zum VEB Kombinat Automatisierungsanlagenbau. Neben der auftragsbezogenen Arbeit (Entwicklung, Projektierung, Fertigung, Montage) gehörte auch die Herstellung von Geräten der Eisenbahn-, Signal- und Sicherungstechnik (GESS) für die Deutsche Reichsbahn (DR) zu seinen Aufgaben. Außerdem war der Betrieb im Bereich der Konsumgüterproduktion (z. B. Bügeleisen) tätig. Ferner wurden Telefonnebenstellenanlagen sowie Torschranken mit Antrieb z. B. für Krankenhäuser hergestellt.

Der Nachfolgebetrieb WSSB GmbH (später Siemens Verkehrstechnik) befasste sich nach dem Gesellschaftsvertrag nur noch mit dem eigentlichen Unterne...

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